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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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hatte, die von Timoschenko für ihn ausging, war sich Janukowitsch beim Erlass des Befehls über eine gerichtliche Untersuchung sicher, es mit seiner allergrößten Feindin zu tun zu ­haben.
    Apropos, sie werden mittlerweile recht oft miteinander verglichen – Julia Timoschenko und Michail Chodorkowski – und das nicht ganz grundlos. Es gibt einige Gemeinsamkeiten in den Werdegängen des russischen Ölmilliardärs und der Gasprinzessin. Die Einleitung eines Gerichtsverfahrens, die durch eine persönliche Abrechnung motiviert ist. Richterliche Willkür als Verhaltensprinzip der Machthaber gegenüber der Opposition. Die Serie als Genre in diesem überlangen Kinofilm. Sogar die Zahl der Folgen ist gleich, bisher waren drei davon zu sehen, und das ist für ein Menschenleben sehr viel.
    Beim ersten Mal wurde Chodorkowski wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Im Verlauf des zweiten Prozesses stellte sich heraus, dass er »das ganze Öl gestohlen« hat, und es ist nicht auszuschließen, dass man künftig versuchen wird, ihm etwas noch Schlimmeres anzuhängen. Nicht umsonst hat Putin von »nachgewiesenen Morden« und »blutigen Händen« gesprochen.
    Auch über Julia Timoschenko soll mehrfach zu Gericht gesessen werden: Diesmal wird sie der Steuervergehen, der Veruntreuung von Staatsgeldern und des Amtsmissbrauchs bezichtigt. Überdies sprechen die Staatsanwälte mittlerweile von ihrer Beteiligung am Mord eines Abgeordneten im Jahr 1996.
    Es gibt auch Unterschiede. Denn Präsident Putin war, indem er über das Schicksal von Chodorkowskis Konzern YUKOS, seine Eigentümer und Topmanager bestimmte, vor allem die Aneignung der erfolgreichen Firma wichtig gewesen. Politiker im direkten Sinn ist Chodorkowski nicht gewesen oder noch nicht geworden. Julia Timoschenko hingegen hat zweimal die Regierung geleitet, bei den letzten Wahlen um das Präsidentenamt gekämpft und erst im zweiten Durchgang gegen Janukowitsch verloren. Und sie ist bis heute eine der beliebtesten Politikerinnen in der Ukraine.
    Der Hauptunterschied zwischen beiden gehört jedoch in die Bereiche Psychologie und Verhaltensstrategie. Chodorkowski ist ein zurückhaltender, pragmatischer und verschlossener Mensch. Wir können lediglich Vermutungen darüber anstellen, welche Gefühle ihn beherrschten, als er bei Gericht seine Unschuld beteuerte. Und auch darüber, wie sein persönliches, zutiefst duldsames Verhältnis zu Putin aussieht. Lady Ju hingegen verbirgt ihre Empfindungen nicht, und auch nicht den Hass und die Verzweiflung bei dem Gedanken, dass sie gegen den ihrer Meinung nach erbärmlichsten aller Lenker der Ukraine verloren hat – gegen Viktor Janukowitsch.
    Einige, die Chodorkowski aufrichtig eine baldige Freilassung gewünscht haben, fragten sich an den Tagen seines letzten Prozesses befremdet, warum er selbst nach so vielen Jahren Strafkolonie weiterhin die ihm aufgezwungenen Spielregeln einhält und dem System treu bleibt, das er selbst als kriminell eingestuft hat. Warum er nicht seine gläserne Angeklagtenzelle als Tribüne benutzt, um, den Rahmen seines Falls verlassend, Putins Regime, dessen Teil er selbst einmal gewesen ist, einen Schlag zu versetzen. Warum er es vorzieht, zu ironisieren, wenn man zetern und zanken muss. Manchmal wird er sogar mit den Angeklagten der Schauprozesse der Dreißigerjahre verglichen, die Stalins System bis zu ihrer Erschießung treu geblieben waren.
    In diesem Sinne ist Julia Timoschenkos Prozess ein Fall für die Lehrbücher; wenn nicht für die der Jurisprudenz, so doch auf jeden Fall für die der Politologie. Sie hat ihre Verhandlung in eine Bühne verwandelt. Sechs Wochen vor ihrer Haft hat sie gespottet, gebrandmarkt, gelacht, schonungslos um sich geschlagen, andere mit ihren hohen Absätzen durchbohrt und mit voller Wucht zugeschlagen. Alle bekamen etwas ab – der Richter, die Staatsanwälte und das ukrainische Rechtssystem im Allgemeinen, aber ihr Hauptgegner war selbstverständlich Präsident Janukowitsch. Timoschenko brachte es nicht nur fertig, an allen von ihr eröffneten Fronten zu kämpfen, sondern auch jede Wendung des Prozesses auf Twitter zu kommentieren, wobei ihr kein Schmähwort zu peinlich war. Der Häufigkeit der Blogeinträge nach zu urteilen, wuchs das Publikum ihrer mehrteiligen Gerichtsshow beständig an.
    Am 5. August – dem Tag ihrer Verhaftung – ist sie in Höchstform. Das Opfer der höhnischen und schonungslosen Angeklagten ist nun der vor Gericht geladene Ministerpräsident
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