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Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich
Autoren: Sandra Scoppettone
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     Pochen. Jemand pocht an unsere Tür. Und eine Männerstimme ruft
meinen Namen. Kip und ich schrecken hoch. Wir sind völlig durcheinander. Ich
setze mich auf, während Kip etwas Unverständliches vor sich hin murmelt. Ich
sehe zur Digitaluhr auf dem Nachtschrank. Es ist neun Uhr fünfzehn, und es ist
dunkel. Wir waren eingeschlafen. Ich ziehe meinen Morgenmantel über, noch
wohlig warm und groggy, schiebe die Füße in meine Pantoffeln.
    Als ich mich nach unten begebe, glaube
ich die Stimme zu erkennen. Es ist William, unser Mieter von oben, ein sehr
guter Freund. Dennoch, ich lebe in Greenwich Village, New York City, und dort
gewöhnt man sich besser gleich daran, eine Tür niemals zu öffnen, ohne sich
zuvor vergewissert zu haben, wer einem als nächstes in die Arme laufen wird.
    »Wer ist da?« frage ich.
    »Mildred Pierce, was hast du denn
gedacht?« sagt William.
    Ich entriegle die Schlösser.
    William, 1,92 m groß, steht gekrümmt,
sein braunes Haar mit den goldenen Strähnen fällt nach vorn, verhüllt sein
Gesicht. Er atmet schwer, als wäre er gerannt.
    »Was ist los? William, was ist
passiert?«
    »O Gott, Lauren, ich kann’s nicht
glauben«, stößt er hervor.
    Jetzt bekomme ich es mit der Angst zu
tun. »Ist Rick etwas zugestoßen?« Rick ist Williams Liebster.
    Langsam hebt er den Kopf, die blauen
Augen in unverkennbarem Entsetzen weit aufgerissen. »Rick, Quatsch, mir ist etwas zugestoßen, und läßt du mich jetzt bitte rein, oder muß ich mich dir
erst zu Füßen werfen?«
    »Entschuldige.« Ich ziehe die Tür
weiter auf, und er geht keuchend ins Wohnzimmer, während ich überall Licht
mache. Er läßt sich auf das Sofa fallen, sein großer Körper breitet sich aus
wie ein riesiger Fächer. Selbst in diesem Zustand kann man sehen, daß William
ein äußerst attraktiver Mann ist. Er trägt Schnäuzer und Kinnbart, sorgfältig
gestutzt.
    Bevor ich ihm eine weitere Frage
stellen kann, kommt Kip herein, sie trägt ihren weißen Bademantel, nichts
darunter. Obgleich sie unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde, sieht sie aus wie
ein Model, ihre braunen Augen sind hellwach, ihr braunes, leicht graumeliertes
Haar wirkt frisch gestylt. Sie ist hübsch, gut in Form und 1,65 m groß.
    »Was ist denn los?« fragt Kip
beunruhigt.
    Wir starren beide William an. Jetzt
erst sehe ich, daß seine gewöhnlich rote Gesichtsfarbe verschwunden ist, er
erinnert irgendwie statt dessen an unberührten Schnee.
    »Ein Überfall«, sagt er.
    Kip und ich sehen einander an. Nach
zwölf gemeinsamen Jahren wissen wir, was die andere gerade denkt. Ich spreche
für uns beide.
    »Wer überfällt wen?«
    »Überfall, ich.«
    »Bist du betrunken?« frage ich.
    Er schließt ungeduldig die Augen und
beißt die Zähne zusammen. »Ich — bin — in — einen — Überfall — geraten.«
    »O William«, sagt Kip. »Soll ich Rick rufen?«
    »Nicht zu Hause. Zur Abwechslung mal«,
sagt er, mit einem Anflug von Bitterkeit. »Und es ist alles seine Schuld.«
    Kip sagt: »Möchtest du etwas trinken?«
    »Wasser.«
    Sie geht in die Küche, ruft über die
Schulter zurück: »Sag nichts, bis ich wieder da bin.«
    Ich hasse diese Anweisung. Die Leute
geben sie, damit derjenige, der im Zimmer zurückbleibt, in blödem
Stillschweigen dasitzen muß. Einen Monat später kommt sie zurück.
    William kippt das Wasser in drei
Schlucken hinunter, stellt das Glas auf den Beistelltisch. Er trägt seine
übliche Kluft aus Jeans, einem Arbeiterhemd unter der schwarzen Lederjacke und
schwarzen Boots. Seine breiten Hände mit den kleinen Nägeln liegen gespreizt
auf seinen muskulösen Oberschenkeln. Allmählich gewinnt sein Gesicht wieder an
Farbe.
    »Erzähl«, sagt Kip.
    »Es war bei Megan.«
    »Bei Megan Harbaugh?« Sie ist die
Besitzerin eines Schmuck- und sehr schicken Einrichtungsladens auf der
Greenwich Avenue, und sie ist meine älteste, liebste Freundin.
    Er nickt. »Rick hat ein Auge auf diesen
Silberring geworfen, und bald ist sein Geburtstag, deshalb bin ich hingegangen,
um zu sehen, wieviel er kostet. Megan stand hinter der Theke, und inzwischen
ist mir klar, daß sie mir Zeichen mit den Augen zu geben versuchte, aber da
habe ich es noch nicht kapiert. Auf jeden Fall waren zwei Typen in dem Laden, beide
standen mit dem Gesicht zu ihr. Als ich reinkam und ›hallo‹ sagte wie ein
ahnungsloser Trottel, dreht sich einer der Typen... der größere von den beiden...
um und richtet dieses... dieses Schießeisen
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