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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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behindert hatten. Damals, zu Zeiten Kutschmas, war Timoschenko fähig gewesen, Hunderttausende ihrer Anhänger auf den Unabhängigkeitsplatz zu holen. An diesem Tag sind es einige Hundert.
    Der Westen? Von ihm mag noch etwas zu erhoffen sein, auch wenn natürlich nicht mehr so klar wie früher. Wie Millionen von Ukrainern ließen sich auch die europäischen Politiker von der orangenen Revolution verzaubern. Und waren genauso schnell enttäuscht, als die Revolution in einen erneuten Stillstand mündete. Janukowitschs dumpfe Brutalität gegenüber Timoschenko lähmte sie, doch während sie 2001 noch eine klare Alternative zur ukrainischen Regierung gesehen hatten, gibt es nun für sie keine mehr. Julia Timoschenkos Hoffnung ist wohl nicht der abstrakte Westen, sondern ihre politischen Gefährten – die Chefs der europäischen Volksparteien, zu denen auch ihre eigene Partei Batkiwschtschina gehört: ­Nicolas ­Sarkozy, dem François Hollande im Amt folgte, Donald Tusk, Angela Merkel. Die ganz besonders. Bei ihr kann man überdies auf weibliche Solidarität hoffen.
    Ein weiterer Trumpf ist die bevorstehende Fußball-EM. Das gesamte Land hat sich auf die Anreise der Gäste vorbereitet, und für Janukowitsch ist es die Chance, der Welt eine neue Ukraine zu zeigen, die ihre Stadien nicht schlechter renoviert hat als die VIP-Zelle im Lukjaniwska-Gefängnis. Julia Timoschenko weiß, dass sie eine Chance hat, dem Präsidenten diesen Festtag, wenn auch nicht vollkommen zu verderben, so doch stark zu trüben.
    Und dennoch, selbst wenn sie tatsächlich auf die Hilfe der Europäer hofft, weiß Timoschenko nur zu gut, dass sich ihr Schicksal hier, in der Ukraine entscheiden wird. Und auch etwas anderes dürfte ihr klar sein: Der Arrest ist ihre letzte Chance, das Vertrauen der Wähler wiederzugewinnen. Die Ukraine hat den endlosen, politisch völlig sinnlosen Reigen ihrer drei Spitzen Juschtschenko, Timoschenko und Janukowitsch satt. Angefangen mit dem Bruch der beiden Anführer des orangenen Maidan 2005, liefen die Machenschaften innerhalb des politischen Prozesses im Land immer nur auf eine Frage hinaus: Welche beiden aus diesem Dreigespann tun sich als Nächstes zusammen, um den Dritten endgültig zu erledigen? Es gab keine ideologischen Tabus mehr. Jede Machtkombination war mehrmals erprobt, und keine von ihnen hatte Stabilität gebracht. Die Ukraine ist des absurden politischen Theaters vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Katastrophe im Land und der Weltwirtschaftskrise längst gründlich überdrüssig.
    Mehr als die anderen hat Julia Timoschenko das Herz ihrer Wähler verstanden. Nicht ohne Grund besteht das Emblem ihrer Partei aus einem roten Herzen. An das Herz der »einfachen Ukrainer« (und nicht an ihren Verstand oder, sagen wir, an ihre Erinnerung an frühere politische Ränkespiele) hat sie sich jedes Mal gewandt, wenn die Geburtswehen neuer Wahlen einsetzten. Sehr gut erinnert sie sich auch an die Formel ihres Triumphs von 2001. Ausgangspunkt ihrer unglaublichen politischen Karriere waren ausgerechnet jene 42 Tage, die sie in der Zelle Nr. 242 des Lukjaniwska-Gefängnisses verbracht hatte. Und es war nicht nur der Zorn der Wähler auf den Präsidenten, der sie zu den Höhen des politischen Olymps aufsteigen ließ, sondern auch das Mitgefühl mit der zarten, hilflosen, von Krankheiten gezeichneten, gleichwohl ungebrochenen Gefangenen, die keine Angst kennt im Kampf für das Gemeinwohl.
    Julia Timoschenko wird sich denken können, dass der Preis, den sie für ihre Rückkehr in die Politik zahlen muss, unendlich hoch ist. Und sie wird wissen, dass sie, wie so oft im Laufe ihrer Karriere, einfach keine Wahl hat.
    Am 5. August 2011, als die schwere Tür hinter ihr ins Schloss fällt, glaubt die 50-jährige Julia Timoschenko noch fest daran, dass alles in ihrem Leben soeben erst beginnt.
    Zweites Kapitel
Die Heimatstadt
    Ihren Namen verdankt Julia Timoschenkos Heimatstadt Dnipropetrowsk nicht dem Apostel Petrus und auch nicht Peter I., sondern dem Bolschewiken Grigori Petrowski.
    Der Mitkämpfer Lenins war in verschiedenen Funktionen tätig. Er gehörte zu jenen, die das System der Straforgane der Sowjetmacht aufbauten. Als Vorsitzender des Zentralexekutivkomitees der UdSSR setzte er Anfang der Dreißigerjahre gnadenlos die Kollektivierung des Dorfes in der Ukraine durch. Petrowski ist einer der Organisatoren der Abrechnung mit der Bauernschaft, die in neueren ukrainischen Geschichtsbüchern nur »Golodomor«
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