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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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genannt werden. Der von den Bolschewiken organisierte Hunger kostete in den Jahren 1932/33 vier bis sechs Millionen Menschen das Leben. Eine Zahl, vergleichbar der der Opfer des Holocausts.
    Dnipropetrowsk spielte in der UdSSR eine besondere Rolle.
    Das lag nicht nur daran, dass sich hier Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes der Sowjetunion konzentrierten, die eng miteinander verknüpft und einer einheitlichen Leitung unterstellt waren. Solche Städte gab es in der Sowjetunion viele, auch in der Ukraine, zum Beispiel Charkiw.
    Dnipropetrowsk wurde jedoch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer Kaderschmiede für das Politbüro des ZK der KPdSU. Männer aus dieser Gegend prägten das Gesicht des ganzen Landes. Die sogenannte Lenin’sche Partei der sogenannten Stagnationsperiode der Sechziger- bis Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts – das waren vor allem Genossen aus Dnipropetrowsk.
    Im Volk hießen sie schon lange »Dnipropetrowsker Mafia«.
    Die waghalsigsten sowjetischen Menschen nannten diese Truppe hinter vorgehaltener Hand auch »Breschnew-Mafia«. Ihr Namensgeber war der Generalsekretär des ZK der KPdSU, Leonid Breschnew, der in der Industriesiedlung Kamenskoje, nur 35 Kilometer von Dnipropetrowsk entfernt, zur Welt kam. In diesem Ort, der bald in Dniprodserschinsk umbenannt werden sollte, begann zur Zeit des Großen Terrors (auch »Große Säuberung«) Breschnews politische Laufbahn. Von dort versetzte man ihn nach Dnipropetrowsk, wo er 1938 im Gebietskomitee der Partei stellvertretender Abteilungsleiter für Agitation und Propaganda wurde. Hier lernte er auch seine Mitkämpfer kennen, die ihn bis in den Kreml begleiten sollten. Am Ende seines Lebens schwelgte er in Erinnerungen an seine Jugend und den Anfang seines Weges.
    Ohne den Golodomor oder den Terror auch nur mit einem Wort zu erwähnen, schildern die feinsten Federn des sowjetischen Journalismus kurz und sachlich die Atmosphäre, die in der Vorkriegszeit im Lande herrschte.
    Da ist davon die Rede, dass es bald Krieg geben wird – das spürten damals alle, Führung und Volk. 1940 kam aus dem Kreml die Direktive, mehrere Betriebe von Dnipropetrowsk unverzüglich auf die Herstellung von Kriegsgütern umzustellen. Ein Chiffretelegramm aus Moskau wies an, einen Sekretär des Gebietskomitees für Verteidigungsindustrie einzusetzen. Die Wahl der Genossen für diese Schlüsselfunktion in der Stadt und der ganzen Ukraine fiel einstimmig auf Breschnew.
    Die Rüstungswirtschaft und Breschnews besonderes Verhältnis zu seiner Heimatstadt machten Dnipropetrowsk zu einem Giganten der sowjetischen Industrie, zu einem Monster aus Plattenbauten mit einer Million Einwohnern, das für Ausländer gesperrt war. Und zur Startrampe für schwindelerregende Karrieren in Partei, Wirtschaft und KGB.
    In den Siebzigerjahren zogen Dnipropetrowsker in den Kreml ein. Im Politbüro und im Sekretariat des ZK, in den Funktionen des Vorsitzenden des Ministerrates und des KGB-Chefs, unter deren zahlreichen Stellvertretern, auf den Posten des Ersten Sekretärs und des Innenministers der Ukraine, in Schlüsselfunktionen der zweiten und dritten Reihe – überall tauchten Breschnews Parteigänger aus dieser ruhmreichen Stadt auf, die ihm grenzenlos ergeben und für ihn zu allem bereit waren. Wenn man zudem bedenkt, welchen Platz die UdSSR und Genosse Breschnew persönlich damals in der Welt einnahmen – er war der Führer einer der beiden Supermächte, die den ganzen Erdball in Schutt und Asche legen konnten –, dann wird die Rolle von Dnipropetrowsk jedem klar. Von dieser Provinzstadt ging Macht aus – im eigenen Land und in der Welt.
    Breschnew liebte seine Heimatstadt. Wie viele Diktatoren war er sentimental und bodenständig. Auch die Bewohner von Dnipropetrowsk verehrten den Ersten Mann des Landes mit jener merkwürdigen zweideutigen Liebe, die die Bürger eines bettelarmen Reiches einem Landsmann schenken, der es zu etwas gebracht hat.
    Der Landsmann vergaß sie dabei nicht.
    Im ganzen Lande musste man nach Wurst Schlange stehen. In Dnipropetrowsk lag sie oft unbeachtet in den Läden herum oder wurde zusammen mit anderen Defizitwaren über das bekannte »Bestellsystem« großzügig an die Mitarbeiter der Rüstungsbetriebe verteilt. Es heißt sogar, dass die Leute aus Dnipropetrowsk dieses Symbol sowjetischen Wohlstandes zuweilen an ihre Verwandten in Moskau schickten, wo doch die Hauptstadt eigentlich besser versorgt war als die
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