Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Joyland

Titel: Joyland
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
den Zeitungen wurde ständig darüber berichtet. Also wäre es gar nicht so abwegig gewesen. Allerdings hatte ich heftigst unter Stress gestanden.
    »Die alte Carolina ist absolut sicher«, sagte er. »Ich würd mich ihr selbst dann anvertrauen, wenn der Wind achtzig Sachen draufhätte und nicht nur vierzig. So stark hat es gestürmt, als Carla vor zwei Jahren die Küste entlanggeschrammt ist, und da ist auch nichts passiert.«
    »Wie wollen Sie das Rad denn losfahren lassen, wenn wir beide in der Gondel sitzen?«
    »Das wirst du schon sehen. Steig ein, oder …« Er hob die Pistole. »Ich kann dich auch hier unten abknallen. Mir ist das egal.«
    Ich marschierte die Rampe hinauf, öffnete die Gondeltür und wollte einsteigen.
    »Nein, nein, nein«, sagte er. »Du bleibst erst mal schön draußen. Damit ich dich besser sehen kann. Zur Seite, mach schon, Jonesy. Und steck die Hände in die Taschen.«
    Lane tänzelte mit erhobener Pistole an mir vorbei. Mir lief weiterhin das Blut in die Augen und über die Wangen, aber ich traute mich nicht, eine Hand aus der Tasche zu nehmen. Ich konnte sehen, wie weiß sein Finger war, der auf dem Abzug lag. Er setzte sich in die Gondel.
    »Jetzt du.«
    Ich folgte ihm. Was blieb mir anderes übrig?
    »Und schließ die Tür, da ist sie für.«
    »Sie klingen wie Dr. Seuss.«
    Er grinste. »Komplimente helfen dir jetzt auch nicht weiter. Mach die Tür zu, oder ich jag dir eine Kugel ins Knie. Meinst du, das würde jemand hören? Bei dem Wind, von wegen.«
    Ich schloss die Tür. Als ich mich wieder zu ihm umdrehte, hatte er die Pistole in der einen Hand und ein kleines quadratisches Gerät in der anderen. Es besaß eine kurze Antenne. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich was für technische Spielereien übrighab. Mit dem Ding öffnet man normalerweise Garagentüren. Ich hab's nur ein bisschen umgebaut. Das Ding sendet ein Funksignal aus. Im Frühjahr hab ich's Mr. Easterbrook gezeigt und ihm erklärt, dass das eine ideale Sache wär, wenn man den Schlepper warten muss und kein Grünschnabel greifbar ist, der die Steuerung bedienen könnte. Er hat gesagt, das ginge nicht, weil es von den Behörden nicht zugelassen wär. Man kann's mit der Vorsicht auch übertreiben. Ich wollte es patentieren lassen. Dafür ist's jetzt wohl zu spät. Hier, nimm.«
    Ich nahm es. Es war tatsächlich ein Garagenöffner. Ein Zauberstab. Mein Vater hatte fast genau den gleichen.
    »Siehst du den Knopf mit dem Pfeil?«
    »Ja.«
    »Drück drauf.«
    Ich legte den Daumen auf den Knopf, drückte ihn aber nicht. Der Wind war ziemlich stark hier unten. Wie würde er erst dort oben in luftigen Höh'n sein? Wir fliegen! , hatte Mike geschrien.
    »Drück schon drauf, oder dein Knie ist hinüber, Jonesy.«
    Ich drückte auf den Knopf. Der Motor des Riesenrads schaltete sofort herunter, und unsere Gondel setzte sich in Bewegung.
    »Jetzt wirf das Teil raus.«
    »Was?«
    »Wirf es raus, oder du hast das letzte Mal getanzt. Ich zähl bis drei. Eins … zw…«
    Ich warf die Fernsteuerung aus der Gondel. Das Rad drehte sich, und die Gondel stieg immer höher hinauf in die schwarze, stürmische Nacht. Zu meiner Rechten brandeten die Wellen ans Ufer – die Gischt war so weiß, dass sie fast zu phosphoreszieren schien. Zu meiner Linken erstreckte sich das dunkle, schlafende Land. Nicht ein einziges Scheinwerferpaar glitt den Beach Row entlang. Eine Bö erfasste das Spin. Mein blutverklebtes Haar wurde mir aus der Stirn geweht. Die Gondel geriet ins Schaukeln. Lane warf sich nach vorn und wieder zurück, was das Schaukeln noch verstärkte … aber die Pistole blieb weiterhin auf mich gerichtet. Rotes Neonlicht tanzte über den Lauf.
    »Nicht schlecht für ein so uraltes Teil, was, Jonesy?« , schrie er.
    Wohl wahr. Heute Nacht war das biedere alte Riesenrad geradezu furchterregend. Als wir den höchsten Punkt erreichten, wurde die Gondel so heftig durchgeschüttelt, dass ich hören konnte, wie sie gegen die Stahlstreben schlug. Lanes Melone flog in die Nacht davon.
    »Mist! Na ja, kauf ich mir eben eine neue.«
    Verdammt, Lane, wie sollen wir denn aussteigen? Diese Frage lag mir auf der Zunge, aber ich stellte sie nicht. Zu groß war meine Angst, die Antwort könnte lauten, wir würden überhaupt nicht mehr aussteigen – wenn der Sturm das Spin nicht umblies und der Strom nicht ausfiel, würden wir uns immer noch im Kreis drehen, wenn Fred morgen früh hier eintraf. Zwei Tote im Idiotenschlepper von Joyland. Weshalb das, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher