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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe
Autoren: Marie Cordonnier
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verschwunden. Welch ein Segen!
    Sie lief eilends zur Mauer und streifte den Bärtigen mit einem vorsichtigen Blick. Edwy rieb fluchend die Ränder seiner entzündeten Wunde und machte dieses Mal keine Anstalten, sie aufzuhalten.
    Jorina unterdrückte einen erleichterten Seufzer und sank neben dem Ritter in die Knie. Er schien sich nicht bewegt zu haben. Lediglich das langsame Heben und Senken seiner Brust verriet, dass noch Leben in ihm war. Trotz des Schmutzes konnte sie erkennen, wie blass er war; er schien viel zu viel Blut verloren zu haben.
    Sie stellte den vollen Krug sorgsam neben seinem Kopf ab und schob die Reste des Hemdes zur Seite. Niemand hatte sich bisher die Mühe gemacht, die hässliche Wunde an seiner Schulter zu verbinden. So tief und zerfurcht, wie sie aussah, lag die Vermutung nahe, dass er selbst den Pfeil, der sie verursacht hatte, rücksichtslos herausgerissen hatte. Schmutz, Leinenfetzen und Schlamm hatte sich mit dem Blut zu einer eiternden Kruste verbunden.
    »Gütiger Himmel!«
    Der entsetzte Ausruf erregte Edwys unerwünschte Aufmerksamkeit. »Gib dir keine Mühe!« ächzte er. »Der Kerl ist schon so gut wie tot. Das sagt auch der Feldscher, deswegen hat er ihn nicht versorgt!«
    »Der Mann ist ein Dummkopf«, entgegnete Jorina knapp.
    Sie riss entschlossen den herabhängenden Ärmel des Hemdes ganz ab und tauchte ein Stück davon in das Wasser, um damit Stirn und Wangen des Ritters vom gröbsten Schmutz zu reinigen. Das feine Leinen kratzte über die harten, dunklen Bartstoppeln. Sie spürte Edwys neugierigen Blick und drehte ihm ihren Rücken zu, ehe sie vorsichtig eine Hand unter den starken Nacken des Ritters schob. Behutsam hob sie seinen Kopf an, damit sie den Wasserkrug an seine Lippen setzen konnte.
    Das Wasser rann über die zerbissenen, rauhen Lippen und über sein Kinn herab. Es lief über seinen Hals auf die Brust, aber es landete nicht in seiner Kehle.
    »Trinkt«, murmelte sie und konzentrierte ihren ganzen Willen auf ihn. »Ihr müsst trinken, wenn Ihr leben wollt ...«
    »Ich ... will ja ... nicht leben ...«
    Im ersten Moment glaubte Jorina, sich verhört zu haben. War er verrückt geworden? Wie konnte jemand nur so etwas sagen?
    Dann aber verursachten seine Worte eine unglaubliche Wut in ihr.
    »Ihr seid närrisch!« fuhr sie den Verletzten an. »Trinkt, wenn Ihr nicht wollt, dass ich Euch die Nase zuhalte. Ich bin nicht für Euch zum Brunnen gelaufen, damit Ihr solchen Unsinn von Euch ...«
    Sie brach mitten im Wort ab. Der Verwundete hatte zum ersten Male die fiebrig glänzenden Augen geöffnet. Es dauerte eine ganze Weile, bis es ihm gelang, seinen Blick auf sie zu konzentrieren. Als Jorina seine Augen sah, durchfuhr es sie wie ein Schock.
    Sie waren grün. Grün wie die Laubbäume im Wald von Penhors. Grün wie der schwere, geschliffene Stein, der in ihrem Rockbund verborgen war. Ein klares, tiefes, warmes Grün, wie Jorina es noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Ein Grün, in dem sie ertrank wie im kühlen Nass eines blätterüberschatteten Waldteiches.
    Die ungewöhnlichen Augen ließen vergessen, wie hohlwangig und schmerzverzerrt sein Gesicht war. Sie strahlten wie zwei Sterne, schlugen sie in ihren Bann.
    Jorina strich sacht die wirren, schmutzigen Haarsträhnen aus seiner Stirn. Du wirst nicht sterben, beschwor sie ihn stumm. Egal, was dieser grässliche Mann neben dir sagt und was er tut. Ich werde dich nicht sterben lassen!
    »Trinkt«, wiederholte sie, nachdem sie einmal tief Luft geholt hatte. Dann hielt sie den Rand des Kruges erneut an die rauhen Lippen.
    Erstaunlicherweise gehorchte er dieses Mal. Es gelang ihr, ihm ein paar Schlucke einzuflößen, ehe er wieder in jenen ohnmachtähnlichen Zustand verfiel, in dem er sich befunden hatte, ehe sie auf ihn aufmerksam geworden war. Sie konnte dennoch nicht aufhören, ihn anzusehen.
    »Wahrhaftig, was hat dieser Schurke an sich, dass du dich um ihn kümmerst wie um ein neugeborenes Lamm?« fragte jener grässliche Edwy. »Gib lieber mir den Trunk. Wenn es mir wieder besser geht, bin ich durchaus ein Mann, bei dem sich ein Mädchen wohlfühlen kann!«
    »Dann such dir eine Magd, die ebenfalls dieser Meinung ist, und lass mich in Frieden!« fuhr Jorina ihn unwillig an.
    »Lass ihn sterben«, forderte Edwy. »Denkst du, einer wie er dankt es dir, wenn er weiterlebt? Er gehört zu jenen, welche die Schlacht verloren haben, kannst du das nicht sehen ...«
    Jorina erinnerte sich an die heimlich belauschte
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