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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe
Autoren: Marie Cordonnier
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Unterhaltung und warf dem Söldner einen missbilligenden Blick zu. »Allein Gott bestimmt über Leben und Tod!«
    »Eine Betschwester!« ächzte Edwy und verdrehte die Augen, ohne zu ahnen, wie genau er ins Schwarze getroffen hatte. »Höre, Mädchen, wenn du in deinem Leben mehr möchtest als ein grobes Mieder und einen schmutzigen Rock, dann solltest du dich um mich kümmern und nicht um dieses sterbende Wrack da.«
    Jorina beachtete ihn einfach nicht mehr. Sie versuchte mit dem Rest des Leinens den Schorf der Schulterwunde aufzuweichen. Mit unendlicher Geduld arbeitete sie sich vorwärts, bis die Wundränder halbwegs sauber vor ihr lagen. Sie begannen sich bereits zusammenzuziehen und sahen besser aus, als sie befürchtet hatte. Ein Mann, der so stark war wie er, müsste mit einer solchen Wunde drei Tage nach der Schlacht doch wieder auf dem Wege der Besserung sein.
    Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne, wie sie es immer tat, wenn sie sich mit einem Problem konfrontiert sah. Es sei denn, es gäbe da noch eine andere Wunde, die sie bisher nicht entdeckt hatte. War da nicht von einem Schlag mit der Streitaxt die Rede gewesen? Vorsichtig tastete sie seinen Kopf ab. Am Hinterkopf fand sie schließlich, was sie gesucht hatte.
    Eine Geschwulst von der Größe eines Hühnereis. Wie weit sein Schädelknochen verletzt worden war, konnte sie nur vermuten. Immerhin fand sie in den Ohren kein Blut, und das ließ sie ein wenig hoffen. Seine Körpergröße, seine Kraft und seine straffen Muskeln deuteten darauf hin, dass er bis zum Kampf gesund gewesen war und über größere Widerstandskräfte verfügen musste als ein normaler Mann.
    »He, du dort hinten, lass den Kerl, dem kannst du nicht mehr helfen! Der Feldscher braucht noch eine Magd, die ihm zur Hand geht!«
    Jorinas Augen wanderten von dem bewusstlosen zu dem Soldaten, der offensichtlich keine Lust hatte, sich noch weiter nach einer Hilfe umzuschauen. Doch wenn sie dem Wundarzt zur Hand ging, würde sie ihrem Ritter sicher besser helfen können. Eine Sache galt es allerdings zu regeln, ehe sie ihren Ritter alleine lassen konnte. Sie richtete sich auf und heftete ihre ruhigen Augen in das erwartungsvolle Gesicht des bärtigen Edwy.
    »Sollte es ihm schlechter gehen, wenn ich wieder komme, werde ich dir persönlich diese Wunde auf deiner Brust ausbrennen, hast du verstanden?«
    »Bist du verrückt, Kleine?« Der Ausdruck auf Jorinas Gesicht erschreckte den gewissenlosen Söldner, obwohl er selbst nicht hätte sagen können, warum. »Wofür hältst du mich?«
    Jorina ersparte sich die Antwort. Sie sah ihn noch einmal durchdringend an, dann suchte sie sich einen Weg zwischen den anderen Verletzten hindurch zu jenem Schuppen, in dem der Feldscher sein blutiges Handwerk tat. Der metallische Geschmack von Blut, Schwärme von Fliegen und die grausigen Schreie der Verwundeten wiesen ihr den Weg.

2. Kapitel
    Er wehrte sich mit aller Kraft gegen die Wirklichkeit. Weshalb sollte er zurückkehren in eine Welt, die ohnehin nichts Erstrebenswertes mehr bot? Die nur Schmerzen, Schande, Demütigung und Hohn für ihn bereithielt; eine Welt, in der er auf die schlimmste Weise versagt hatte.
    Wenn da nur nicht diese Stimme gewesen wäre, die hartnäckig und sanft auf ihn einredete und mit ihrer lieblichen Klarheit immer wieder gegen das Dunkel siegte. Und der sanften Berührung auf seiner Stirn gelang es immer wieder für kostbare Momente, den quälenden Schmerz und die Übelkeit zu unterdrücken.
    »Er behauptet, man kann nichts für Euch tun«, hörte er sie nun sagen. »Hat man je einen solchen Unsinn vernommen? Solange ein Mensch atmet, besteht Hoffnung! Ich werde nicht zulassen, dass Ihr in diesem Dreckloch verkommt, das schwöre ich Euch bei der heiligen Anna ... Ihr müsst leben, damit Ihr Euch wehren könnt! Ihr dürft nicht zulassen, dass dieser Schurke Euch besiegt!«
    Er wollte ihr sagen, dass die heilige Anna keine Schuld an dem Drama trug, das sich in den Sümpfen vor dem kleinen Meer von Auray ereignet hatte, aber seine Zunge gehorchte ihm nicht. Sie lag ihm schwer wie ein Stein im Mund, und unter seiner Schädeldecke übernahmen die Dämonen des Schmerzes erneut die Herrschaft.
    Sie überschwemmten ihn mit einer Flut von Bildern, eines schrecklicher als das andere. Wieso konnte er sich nur an das Ende der Schlacht erinnern? An die Ströme von Blut, an die Schreie und die hilflose Verzweiflung seiner Männer? Was war geschehen, ehe er zu sich kam, hilflos im Sumpf
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