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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe
Autoren: Marie Cordonnier
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war, bis unter diesen Umständen auch die größten Widerstandskräfte nachließen.
    »Wenn es mir nur gelänge, ihn irgendwo ruhig und warm zu betten«, entgegnete sie Edwy, ohne auf seine Worte einzugehen. »Eine Hütte, und wäre sie noch so einfach ... Es gehört sich nicht, dass ein Mensch daran stirbt, dass sich niemand um ihn kümmert. Egal, ob er nun ein Tagelöhner oder ein nobler Seigneur ist. Ebenso wenig, wie es sich gehört, für einen Menschen Lösegeld zu erpressen!«
    Edwy rieb sich versonnen seine Wunde. Er war nicht der Hellste, aber Jorinas Worte hatten einen Gedankengang in Bewegung gesetzt, dem er vorsichtig nachspürte. Er verspürte ebenfalls kein Verlangen, mit den anderen transportfähigen Gefangenen die Kerker des Herzogs in Rennes kennenzulernen. Noch dazu, weil er berechtigte Zweifel daran hegte, dass Paskal Cocherel sich um sein Schicksal kümmern würde. Die Gefahr, dass er in den Kavernen von Rennes verrottete, war durchaus real.
    Jorina schenkte ihm keine Aufmerksamkeit. Sie studierte mit schmerzlicher Beharrlichkeit die Züge des verwundeten Mannes. Obwohl es ihm so schlecht ging, konnte man deutlich erkennen, was für ein gut aussehender Mann er war. Ein Mann, der sie anrührte und irgendetwas in ihr ansprach. Sie dufte einfach nicht zulassen, dass er starb. Er war doch noch so jung, hatte noch sein ganzes Leben vor sich ...
    »Es gäbe da vielleicht eine Möglichkeit ...« Die Stimme Edwys drängte sich in ihre Überlegungen. Sie wollte ihm nicht zuhören, aber das, was er dann sagte, ließ sie aufmerksam werden. Neugierig blickte sie den Söldner an.
    »Ich bin aus der Nähe von Locmine. Mein Vater ist dort Köhler, und seine Hütte liegt so versteckt, dass selbst die Dörfler sie kaum finden ...«
    Jorina schluckte. »Was willst du damit sagen?«
    Der Mann sah sich vorsichtig um. Die Verwundeten, die jetzt noch im Hofe lagen, waren so elend dran, dass sie ihm ohnehin keine Aufmerksamkeit mehr schenkten. Die Wachhabenden scharten sich alle vor den Ruinen der Herberge um den Feldhauptmann, der augenscheinlich die genauen Einzelheiten der Auflösung dieses Not-Lazaretts mit ihnen besprach.
    »Wenn dir soviel daran liegt, könnt’ ich dir helfen, diesen Ritter in Sicherheit zu bringen«, raunte Edwy ihr ins Ohr.
    »In der Tat?« Jorina runzelte misstrauisch die Stirn. »Weshalb willst du das tun?«
    »Hast du nicht vorhin meine Christenpflicht angemahnt?« erwiderte Edwy in einer solchen Mischung aus Scheinheiligkeit und Demut, dass Jorina trotz allem fast gelacht hätte. Sie traute dem Schurken nicht über den Weg.
    Und tatsächlich hatte der Söldner Hintergedanken. Wenn der Hüne dort wirklich am Leben blieb, musste es eine Familie geben, die sich für seinen Verbleib interessierte. Raoul de Nadier war der Waffenbruder des Herrn von Blois gewesen, Spross einer der edelsten Familien des Landes und bekannter Turniersieger. Sein Vermögen musste beträchtlich sein.
    Weshalb sollte Jean de Montfort das Lösegeld für ihn kassieren? Oder Paskal Cocherel? Beide waren reiche und mächtige Männer mit wohlgefüllten Truhen und ohne materielle Sorgen. Er hingegen, er wusste, was es bedeutete, seine Haut für einen Herrn zu Markte zu tragen. Mithilfe eines fetten Lösegeldes könnte er sich eine kleine Hofstelle kaufen. Vielleicht irgendwo im Nordwesten oben, weit entfernt von der Burg von St. Cado. Und eine Bäuerin hatte er vielleicht auch schon ...
    »Ich kann’s nicht glauben«, sagte Jorina in diesem Augenblick.
    »Nun, ich würde es natürlich nicht umsonst tun!«
    Der Söldner begriff, dass er ihr einen verständlichen Grund für seine verblüffende Mildtätigkeit bieten musste, wenn er sie überreden wollte. »Du gefällst mir, das hab’ ich dir schon die ganze Zeit gesagt!«
    Das hatte Jorina mehr als deutlich gemerkt, denn sie musste sich unzählige Male am Tage gegen seine Zudringlichkeiten wehren.
    »Was ...« Sie räusperte sich und versuchte es noch einmal. »Wie meinst du das?«
    »Wenn du ein wenig netter zu mir wärest, könnte ich mich vielleicht darauf besinnen, wo ich einen Karren und ein Zugtier auftreibe. Und wie wir dieses elende Loch verlassen können, in dem man doch nur sterben kann ...«
    »Ein wenig netter ...«, wiederholte Jorina hilflos. Sie spürte, dass ihr heiße, verlegene Röte in Stirn und Wangen stieg, während sie gleichzeitig vor dem tieferen Sinn dieser Worte zurückschreckte.
    Sie begriff, was er erwartete. Sie sollte sich für das Leben des
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