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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe
Autoren: Marie Cordonnier
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fremden Ritters verkaufen. Sie hatte genügend bei ihrer Mutter gelernt und belauscht, um zu wissen, was zwischen Mann und Frau geschah. Sie kannte auch die unausweichlichen Folgen, und sie hatte das Heulen und die Geständnisse mancher Magd oder leichtsinnigen Ehefrau mit angehört, die von ihrer Mutter jenen Kräutertee haben wollten, der dafür sorgte, dass ihre Schande nicht ruchbar wurde. Danach hatte es stets seltene Kostbarkeiten wie geräucherte Speckseiten oder ein paar Ellen Tuch oder Band gegeben. Das Wissen um die Zerstörung des geheimen Lebens kostete seinen Preis.
    »Komm schon«, drängte Edwy, und Jorina spürte, wie er ihr die Schulter tätschelte, als sei sie ein scheues Tier, das Ermunterung nötig hat. »Ein keckes Ding wie du ist genau die richtige Frau für mich. Wir beide könnten es zusammen weit bringen!«
    Seine Hand rutschte tiefer, und Jorina brachte sich mit einer flinken Bewegung in Sicherheit. Jetzt kauerte sie völlig im Schatten, und das letzte Licht des sinkenden Tages fiel auf die hingestreckte, mächtige Gestalt des Mannes, über dessen Leben hier verhandelt wurde.
    Es war sein Bild, das Jorinas Bedenken auslöschte. Weder Schmutz noch Blut noch Fetzen und Ohnmacht konnten das Bild männlicher Kraft und Schönheit beeinträchtigen. Es würde ihr das Herz brechen, ihn sterben zu sehen. So einfach war das.
    Sie sah den Söldner an. »Einverstanden. Ich gehe mit dir. Aber ich werde erst bei dir liegen, wenn er gesund ist und in Sicherheit!«
    Das werden wir sehen, sagte sich Edwy und zeigte beim Grinsen eine mächtige Zahnlücke. Die oberen Schneidezähne fehlten ihm.
    »Mein Wort, Mädchen!«
    Er reckte ihr seine schmutzige rechte Pranke hin. Jorina biss sich auf die Unterlippe und zögerte. Mutter Elissa hätte ihre Entscheidung sicherlich nicht gebilligt. Aber hatte nicht die fromme Äbtissin sie höchstpersönlich in diese merkwürdige Welt hinausgestoßen, in der sie sich nun zurechtfinden musste, ohne deren Regeln zu kennen?
    »Wie willst du das anfangen, ohne dass wir erwischt werden? Er ist ein Gefangener, der zu den Männern des Seigneur von Blois gehört hat.« Absichtlich wies sie ihn auf die Gefahr ihres Paktes hin und dachte dabei an die Befehle, die er heimlich erhalten hatte. Er konnte nicht ahnen, dass sie davon wusste. War sein Verlangen nach ihr groß genug, dass er deswegen seinem Herrn den Gehorsam verweigerte?
    »Das lass meine Sorge sein«, unterbrach sie Edwy. »Halt dich bereit und sieh, ob du ein wenig Wein für ihn bekommst. Er muss ohnmächtig oder betrunken sein, damit wir ihn ohne großes Getöse aus dem Hof schaffen können.«
    Jorina nickte und beobachtete erstaunt, wie Edwy sich in die Schatten der Mauer drückte, wo seine schmutzige Gestalt mit dem Dunkel verschmolz. Da im selben Moment endgültig die Dämmerung in Dunkelheit überging, hatte es den Anschein, als habe sich der Mann in Luft aufgelöst.
    Jorina schwankte zwischen Schrecken und Erleichterung. Sie wollte nicht, dass dieser Mensch sie anfasste, dass er sich ihr aufdrängte. Aber hatte sie eine andere Wahl? Unwillkürlich berührte sie mit den Fingerspitzen die Stirn des schlafenden Verwundeten.
    Er glühte vor Fieber. Sein Atem ging stockend. Ab und zu murmelte er etwas vor sich hin, aber es waren nur kaum verständliche Wortfetzen. Seine Fieberfantasien ließen ihn die Schlacht im Sumpf von Neuem erleben. Jorina berührte ihn, versuchte, ihn zu beruhigen, damit er sich nicht herumwarf.
    Er durfte nicht sterben! Heilige Anna, beschütze sein Leben und behüte mich bei dem schändlichen Handel, den ich dafür eingegangen bin! betete sie im stillen. Sie bereute nicht, was sie getan hatte, aber sie hatte unendliche Angst vor den Folgen.

3. Kapitel
    Sein Kopf drohte zu platzen. Einem eisernen Ring gleich, den der Henker unaufhaltsam zuzog, umspannten die Schmerzen seinen Schädel. Gleißende Blitze zerplatzten hinter den geschlossenen Lidern, und Feuer tobte in seinen Adern. Warum ließen sie ihn nicht in Frieden sterben? Warum diese endlose Folter, die sich mit himmlischer Ruhe abwechselte und dann wieder um so quälender durch seinen Körper schoss? Seit wann bediente sich Jean de Montfort so schändlicher Martern? War er nicht ein Ritter und dem Ehrenkodex dieses Standes verpflichtet? Oder hatte er sogar diese letzte Ehre verspielt?
    »Gütiger Himmel, musst du in jedes Loch dieses verdammten Weges rumpeln?« hörte er leise eine Stimme sagen. »Ich kann ihn nicht halten, wenn der Karren
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