Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna
Autoren: Wo die Erde bebt
Vom Netzwerk:
Englischlehrern, und ich hatte keine Lust, da hinzugehen. Ich hatte sehr wenig Umgang mit anderen Ausländern, und seitdem ich angefangen hatte, mich mit Teiji zu treffen, hatte ich weder den Wunsch noch das Bedürfnis, sonst noch jemanden zu sehen. Aber Bob hatte angerufen und mich extra gebeten zu kommen.
    «Im britischen Pub, in den ich immer gehe, arbeitet eine neue Frau, Lucy. Na ja, eigentlich ein Mädchen. Sie ist ein Nervenbündel. Sie ist vorher noch nie im Ausland gewesen, und sie macht ein Gesicht, als wäre sie gerade auf dem Mond gelandet. Ich weiß nicht, wie sie hier klarkommen soll.»
    «Aha.» Was ging mich das an?
    «Sie braucht Hilfe. Ich meine, sie muss sich eine Wohnung suchen. Sie wohnt momentan in einem schäbigen gaijitt- Haus mit ein paar echten Arschlöchern zusammen, und sie ist die einzige Frau dort. Wenn sie da nicht bald auszieht, dreht sie, glaub ich, noch durch.»
    «Es ist nicht schwer, eine Wohnung zu finden. Ich hab's auch geschafft.»
    «Lily spricht nicht ein Wort Japanisch.»
    Ein ungewöhnlicher Name. Er gefiel mir. «Kannst du ihr nicht helfen?»
    «Ich dachte, du könntest ihr vielleicht helfen. Du hast deine Wohnung auf eigene Faust gefunden, weißt also, wie die Marktlage ist und worauf man achten sollte. Außerdem kann niemand so gut Japanisch wie du. War nur so eine Idee.»
    «Das klingt mir mehr nach einem Plan als nach einer Idee.» Aber ich bin Löwe und spreche auf Schmeicheleien gut an. Bob hatte mich herumgekriegt.
    «Warum treffen wir uns nicht am Freitag auf einen Drink? Wir gehen in eine izakaya in Shibuya. Red einfach ein bisschen mit ihr, okay? Wenn du keine Lust hast, mit ihr die Makler abzuklappern, könntest du ihr wenigstens ein paar Tipps geben.»
    Es ist nicht so, dass ich prinzipiell dermaßen unsozial wäre, aber ich wollte am liebsten jede freie Minute mit Teiji verbringen oder allein mit meinen Gedanken an Teiji. Da blieb kein Platz für diese Zicke. Lily. Ich stellte mir eine große, schlanke schöne Frau mit blasser Haut und einem langen weißen Hals vor. Sie würde in einer Ecke der Bar sitzen und aus einem eleganten Glas Gin Tonic trinken. Sie würde mich ansehen und gelassen lächeln. Für schöne Frauen ist es immer ein Vergnügen, mich anzusehen. Meine dunklen Augen sind zu stechend, um schön zu sein. Ich bin die Hässlichkeit, die ihre Schönheit erst richtig zur Geltung bringt. Was das angeht, ist es auch für Männer ein Vergnügen, mich anzusehen. Sie sagen sich: Ich krieg vielleicht kein Supermodel ab, aber wenigstens weiß ich, dass ich was Besseres als die kriegen kann. Man könnte also sagen, dass ich auf eine einzigartige Weise schön bin; die Leute freuen sich beim Anblick meines Gesichts, freuen sich über meine Anwesenheit, und zwar aus ästhetischen Gründen. Ich war schon auf Lily neidisch, bevor ich sie überhaupt gesehen hatte.
    Ich kam in die Bar und fand die Englischlehrer in einer Ecke vor, wo sie beisammensaßen und weithin hörbar über ihre Arbeit redeten. Lily war die Einzige in der Gruppe, die ich nicht kannte. Sie hatte tatsächlich eine blasse Haut, aber sie war klein und eckig, schien nur aus Ellbogen und Knien zu bestehen. Sie hatte eine große Tolle von kastanienbraun gefärbtem Haar, die sich zwei, drei Zentimeter über den Kopf erhob und ihr dann über das linke Auge fiel. Ihre Augen waren dunkel, wie meine, aber ohne jeden Ausdruck. Sie saßen ihr unter den Augenbrauen wie zwei dicke Pflaumen. Sie lugte mir unter der Haartolle entgegen. Ihre Augen und Finger zuckten. Sie war attraktiv, aber auch etwas komisch, und anstatt sie zu beneiden, merkte ich auf einmal, dass ich lächelte.
    «'allo.»
    Ich konnte ihren Akzent augenblicklich unterbringen: Ost-Yorkshire. Ich bin kein Professor Higgins, nur klang sie zufällig haargenau so wie die Mädchen, mit denen ich zur Schule gegangen war. Jahre im Ausland, in denen ich andere Sprachen gesprochen und auf jede Weise versucht habe, mich von meiner Herkunft zu lösen, haben jede Spur meines ursprünglichen Akzents weggewischt. Ich spreche mit einer neutralen, geographisch schwer einzuordnenden Stimme, und das ist mir absolut recht so. Ich habe nichts übrig für Leute, die ihren Akzent wie eine Fahne oder eine Nationalhymne vor sich her tragen, einen mit ihrem provinziellen Hurrapatriotismus überfallen.
    Lily lächelte mich an, zuckte dann und fummelte an ihren Haarfransen herum.
    «Ich mag dieses japanische Bier», sagte sie zu mir. «Es ist wirklich gut.»
    «Ich nehm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher