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Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna
Autoren: Wo die Erde bebt
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ein Guinness. Seit wann sind Sie hier?»
    «Hier? Im Lokal? Heute Abend?»
    «Nein. In Japan.»
    «Ach so.» Sie ließ sich Zigarettenasche auf den Schoß fallen und wischte sie ungeschickt weg. Ihre Hände zitterten leicht. «Seit letztem Freitag. Um ehrlich zu sein, hätte ich nie gedacht, dass ich mal hier landen würde, und jetzt, wo ich hier bin, weiß ich nicht so recht, warum.»
    Ich nickte.
    «Weil, ich muss mich an eine neue Umgebung gewöhnen, eine neue Sprache, alles. Ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll, ich meine, jeder andere scheint hier wirklich gut zurechtzukommen. Das ist mein erster freier Abend, und ich fühl mich völlig verloren.»
    «Sie sind doch gerade erst angekommen. Natürlich ist es anfangs schwer. Was hat Sie nach Japan geführt?»
    «Eine Beziehung, die in die Brüche gegangen ist. Mein Freund, Andy, ich hab ihn nämlich verlassen.»
    Ich dachte, sie würde gleich anfangen zu weinen. Sie strich sich ihre Fransen aus dem Gesicht und senkte die Stimme, als wollte sie mir ein Geheimnis anvertrauen.
    «Also, ich musste es einfach tun. Wir hatten eigentlich vor zu heiraten, aber es wurde richtig schlimm. Und ich war in einem fürchterlichen Zustand, und da hab ich mir gedacht, ich meine, dass ich einfach wegmusste. Er war nämlich furchtbar besitzergreifend, und obwohl er mich, glaub ich, gar nicht besonders mochte, ging er mir manchmal überall nach, um sicher zu sein, dass ich mich mit keinem anderen amüsierte. Ich weiß wirklich nicht, was er sich einbildete, was ich trieb. Deswegen wollte ich von ihm weg, aber es war nicht nur das. Ich wollte noch einmal ganz von vorn anfangen, also habe ich mir gedacht, ich würde eine Reise machen, ich meine, was von der Welt sehen und so.»
    «Gut», sagte ich. «Ein Neuanfang. Ich hab gehört, Sie suchen eine Wohnung.»
    «Ja. Da, wo ich jetzt wohne, das ist -»
    Ihr schien die Puste auszugehen, und sie starrte reglos auf den Tisch. Ich kannte die Sorte Haus, und ich kannte die Typen, die da wohnten. Aus eigener Erfahrung. Eine heruntergekommene Absteige mit einem Haufen Westler, die jede Nacht ihre Eroberungen anschleppen. Männer, die in ihrem Heimatland nichts Besonderes wären, sehen sich auf einmal aufgrund ihrer Rasse von Frauen umschwärmt. Sie kriegen die hübschen Frauen, die sie bis dahin nie gehabt haben, und sind zum nächsten Glied der Nahrungskette aufgerückt. Das steigt ihnen zu Kopf. Sie suhlen sich in samengesättigter Verkommenheit. So viele Frauen wie möglich, so oft wie möglich, und für jede eine neue Lüge. Und Kakerlaken gibt's da auch noch.
    «Ich muss da einfach raus. Können Sie mir helfen? Ich Sprech kein einziges Wort Japanisch, und ich weiß wirklich nicht, wie ich's anfangen soll. Entschuldigung, ich muss aufs Klo.»
    Sie flitzte aus dem Raum. Ich wandte mich zu Bob.
    «Ich hab nicht das Geringste mit ihr gemein. Ich will nicht das Kindermädchen für sie spielen müssen.»
    «Lucy, sie ist neu hier.»
    «Tokio ist voll von Ausländern, die neu hier sind. Jeden Tag kommt eine neue Fuhre an. Wenn ich mich um alle kümmerte, hätte ich überhaupt kein Privatleben mehr.»
    «Schon gut, schon gut. Ich hatte einfach den Eindruck, dass sie einsam ist.»
    «Jeder ist einsam.»
    «In Ordnung.»
    Ich dachte an meine erste japanische Freundin, Natsuko, und ihr lächelndes Gesicht, als ich frisch in Tokio angekommen war und von nichts eine Ahnung gehabt hatte.
    «Bob, ich helfe ihr, eine Wohnung zu finden, aber ich will sie nicht am Hals haben.» Ich zischte: «Ich kann Leute aus Ost-Yorkshire nicht ausstehen.»
    «Ich wusste nicht, dass du so voreingenommen bist.» Er lachte. «Außerdem hatte ich gedacht, du kommst selbst aus Yorkshire.»
    «Komm ich auch. Ebendeswegen.»
    Lily kam zurück.
    «Ich helfe Ihnen, eine Wohnung zu finden. Es ist nicht so schwierig, aber es gibt Leute, die an Ausländer vermieten, und solche, die das nicht tun. Außerdem ist es mit dem Geld etwas kompliziert. Außer Kaution und Mietvorauszahlung werden Sie wahrscheinlich Schlüsselgeld zahlen müssen - so etwas wie eine Kaution, nur dass Sie sie nie wieder zu sehen bekommen.»
    «Das ist mir egal. Ich hab alle meine Ersparnisse dabei.»
    «Das wird Ihnen nicht mehr egal sein, wenn Sie sehen, wie viel das ist. Und Sie werden einen japanischen Bürgen brauchen.»
    «Mein Boss bürgt für mich. Hat er gesagt.»
    «Na, dann ist's ja gut. Ich dolmetsche für Sie, wenn Sie möchten.»
    «Vielen Dank. Es ist alles ein bisschen anders als in
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