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Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna
Autoren: Wo die Erde bebt
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zurückkehren, mit dieser niederträchtigen Nachbarin und all diesem Motorenlärm.» Sie hält kurz inne. «Es muss auch entsetzlich nach Benzin riechen.»
    «In Ordnung», sage ich, um ihr eine Freude zu machen, denn ich hoffe noch immer, wegen Mordes verurteilt zu werden.
    Nicht Lucys, Frau Katohs Hoffnungen haben sich erfüllt. Ein Tag ist vergangen, und ich habe erfahren, dass die Ermittlungen gegen mich eingestellt sind und ich auf freien Fuß gesetzt werde. Es sprachen nur Indizien gegen mich, und die Polizei konnte an Lilys Leichnam keinerlei genetische oder sonstige Fingerabdrücke finden. Außerdem ist neues Beweismaterial aufgetaucht.
    Nachdem die überregionalen Zeitungen gestern über mich berichtet hatten, erhielt die Polizei einen Umschlag. Darin befanden sich zwei Fotos. Das erste zeigte Lily in einem McDonald's in der Nähe meiner Wohnung. Ermittlungen haben ergeben, dass es in der Mordnacht aufgenommen wurde, zwei Stunden nachdem sie an meiner Wohnungstür gesehen wurde. Die Kassiererin, die sie auf dem Foto wieder erkannte, erinnerte sich, sie und ihr japanischer Freund hätten offenbar gewisse Kommunikationsschwierigkeiten gehabt. Beide wirkten aufgewühlt. Sie hatte ihren Cheeseburger nicht angerührt, ihr Coke allerdings getrunken.
    Wahrscheinlich ist sie noch in derselben Nacht gestorben. Eines steht für die Polizei fest: Lucys abendlicher Ausgang mit einer Strumpfhose über der Schulter stand in keinerlei Zusammenhang mit Lilys Tod. Ich war nur knapp zehn Minuten draußen. Und meine Nachbarin hatte ausgesagt, ich sei in dieser Nacht nicht noch einmal aus dem Haus gegangen.
    Das zweite Foto war ganz anderer Art. Es zeigte eine zwischen engen braunen Wänden zusammengequetschte Frau: der Kopf schlaff zur Seite herunterhängend, als hätte sie nicht mehr die Kraft, ihn aufrecht zu halten, die dunklen Augen leer, wie zwei dicke Pflaumen.
    Auf keinem der Bilder waren Fingerabdrücke zu finden. Die Polizei weiß nicht, dass Teiji die Fotos gemacht hat, aber ich schon. Und die Fotos beweisen nicht, dass Teiji Lily getötet hat. Aber sie zeigen, dass Lucy es nicht getan hat.
    Teiji. Warum hattest du im McDonald's auf Lily gewartet, und was hat sie dir gesagt? Dass es aus war, weil sie meine Freundin bleiben wollte? Vielleicht hast du dann deinen Fehler eingesehen - du würdest uns beide verlieren - und gedacht, du könntest zu Lucy zurück, wenn nur Lily nicht wäre. War das Grund genug, Lily zu töten? Ich glaube nicht. Ist Morden nur so eine Angewohnheit von dir, wie Fotografieren? Oder vielleicht ist es nur ein Aspekt derselben Angewohnheit, etwas, was dir Motive für deine Sammlung, etwas zum Aufbewahren liefert. Ich frage mich jetzt mehr denn je, was aus Sachi wurde. Es sieht ganz danach aus, als hätte Lucy in Sachen Töten endlich ihren Meister gefunden. Aber andererseits sind das alles nur Indizien. Gerade ich sollte mich vor übereilten Schlüssen hüten.
     
    15
    Ich liege auf Frau Katohs Balkon . In Japan sind Balkons in der Regel eher für die Wäsche als für Menschen gedacht, aber ich bin gern hier. Ich kann durch das Geländer sehen. Da ist ein kleiner Park mit Sträuchern und Bäumen. Zu ihm gehört auch ein Kinderspielplatz mit Schaukeln und einer Rutschbahn, aber Kinder sind keine da, und auch sonst niemand. Hinter dem Park ist der hiesige Bahnhof.
    Frau Katoh bereitet in der Küche gerade das Abendessen zu. Es riecht nach gebratenem Ingwer und Fisch. Wir haben Natsuko und Bob zum Abendessen eingeladen, und sie werden bald hier sein. Es ist lange her, dass ich einen von beiden gesehen habe, aber sie haben sich hörbar gefreut, als wir miteinander telefoniert haben. Bob hat mir erzählt, dass er Plattenaufnahmen gemacht hat und in verschiedenen Clubs von Tokio aufgetreten ist. Seine musikalische Laufbahn lässt sich gut an. Natsuko hat meine wichtigsten Aufträge übernommen, und alle unsere Kunden sind zufrieden. Sobald ich mich dazu bereit fühle, kann ich ins Büro zurück. Bob und Natsuko wissen, dass ich unschuldig bin. Erklärungen oder Entschuldigungen sind nicht erforderlich. Wir sind Freunde, und für heute genügt es uns, miteinander zu essen und zu trinken.
    Ich schreibe Jonathan. Es hatte als Postkarte angefangen, aber jetzt ist ein Brief daraus geworden. Ich merke, dass es einiges zu erzählen gibt. Ich schreibe über meinen Job, dann über Natsukos Kamelienbaum, weil ich weiß, dass er begreifen wird,
    wie schön er war, und ich erzähle ihm die komische Geschichte, wie
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