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Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna
Autoren: Wo die Erde bebt
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ich die Straße entlangging, einen Dolch in der Hand hielt? Die anderen Fakten habe ich nie bestritten, auch wenn ich es vorgezogen habe, über den Inhalt unseres damaligen Wortwechsels keine Angaben zu machen.
    Einer der Verdächtigen war Lilys Exfreund, obwohl er - außer er benutzte einen gefälschten Pass und reiste sehr schnell -offenbar in England gewesen war und, Pech für mich, ein idiotensicheres Alibi hatte. Im fraglichen Zeitraum wurde er von einer Überwachungskamera aufgenommen, wie er einen Fish-and-Chips-Laden in Goole betrat und Kabeljau mit Fritten und einem Solei verlangte. Er fummelte am Saum seines Anoraks herum und kratzte sich am Ohr, bevor er in die Tasche seiner Jeans griff und ein paar Pfundmünzen herausholte. Der
    andere Hauptverdächtige war der übliche große Unbekannte, der in jedem Land der Welt nachts in dunklen Gassen auftaucht, um uns durch das, was er mit dem Körper einer Frau anstellt, ins Gedächtnis zu rufen, dass die Definition des Menschen auch das Unmenschliche einschließt.
    Ohne weitere Hinweise ist es schwer, sich vorzustellen, was für Fortschritte die Polizei gemacht haben könnte. Ich nehme nicht an, dass mein Freund es mir verraten wird, solange ich ihm nicht meinerseits etwas mehr über Lily erzähle. Ich bleibe stumm und erlaube meinen Gedanken, zu Teiji zurückzukehren.
    Am Morgen nach unserer ersten Begegnung wachte ich früh auf, kritzelte meine Adresse auf ein Stück Papier und legte es unter seine Kamera, bevor wir zum Nudellokal gingen. Meine Telefonnummer schrieb ich nicht dazu. Ich wollte, dass er persönlich kam und mich ausfindig machte.
    Als es klingelte, stand ich unter der Dusche. Seit unserer ersten Begegnung war eine Woche vergangen. Am Ton der Klingel - weniger abrupt als sonst, ein still-zuversichtliches Schellen -konnte ich hören, dass es Teijis weiche Fingerspitze war, die auf den Knopf drückte, also verzichtete ich unbesorgt auf ein Handtuch. Ich zog die Tür einen noch schmaleren Spaltbreit auf als sonst - schon damals wusste ich, dass meine Nachbarin eine Schnüfflerin war - und ließ Teiji hereinschlüpfen.
    Wenn ich mich nur erinnern könnte, was er zu mir sagte. Er könnte mir gesagt haben, dass ich schön sei, denn ich weiß genau, dass er das manchmal tat. Er könnte irgendetwas ausgerufen haben, als er mich so vollkommen, so unverpackt für ihn bereit vorfand. Vielleicht erinnere ich mich deswegen nicht daran, was er an diesem Tag sagte, weil er gar nichts sagte. Es könnte sein, dass wir geradewegs in mein Zimmer gingen und dort augenblicklich übereinander herfielen. Und anschließend
    sah ich, in ein Laken gewickelt, in seine Kamera, während sie sich mein Bild schnappte. Wir könnten all das ohne ein einziges Wort getan haben. Doch wenn er niemals sprach, woher wusste ich dann nur, dass er Teiji hieß?
    Aber jedes Mal, wenn ich mich an Teiji erinnere, erreiche ich dadurch lediglich, dass ich mich an Lily nicht erinnere. Das ist ganz falsch. Ich habe Lily noch immer nicht eingeführt, nicht richtig jedenfalls. Ich habe es die ganze Zeit hinausgeschoben in der Hoffnung, sie würde von sich aus ins Spiel kommen. Aber ich habe mich getäuscht Sie ist nämlich schon längst da. Sie ist in den lichtlosen Ecken der Zelle, im Summen der Leuchtstoffröhre über meinem Kopf, in der Fruchtfliege am Rand meines Gesichtsfeldes, die genauso gut ein Stäubchen in meinem Auge sein könnte. Wenn ich mich vornüberbeuge, fallt mir das Haar über die linke Schläfe, und dann weiß ich, dass Lily in meinem Gesicht ist. Manchmal habe ich das Gefühl, nicht ganz wie ich selbst zu gehen - meine Schritte sind kürzer, schneller, fast ein Trippeln -, und so weiß ich, dass sie mir auch in die Beine gefahren ist.
    Ich blinzle und merke auf einmal, dass Kameyama zurück ist und er und Oguchi mich gemeinsam fixieren.
    «Sie können nicht einfach so dasitzen und ins Leere starren. Sie müssen mir von Bridges-san erzählen. Das geht nicht, dass Sie die ganze Nacht hier sitzen und mir kein Wort sagen. Sie kannten sie gut. So viel wissen wir schon.»
    «Ja, das stimmt.» Aber nicht gut genug. Das ist alles.
    Kameyama brüllt mir Fragen zu, eine nach der anderen. Ich schließe Augen und Ohren. Ich sehe und höre nichts.
    2
     
    Ich lernte Lily in einer Bar in Shibuya kennen . Das war erst vor ein paar Monaten, obwohl es mir länger vorkommt. Sie war mit Bob da, dem Lehrer, den ich im Wartezimmer eines Zahnarztes kennen gelernt hatte, und ein paar anderen
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