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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft
Autoren: Sandra Brown
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nicht.
    Offensichtlich waren seine Rippen nur angeknackst und nicht richtig gebrochen. Während der ersten zwei Tage hatte er nur dagelegen und gehofft, sie würden wieder in Ordnung kommen. Jetzt taten sie ihm zwar noch weh, aber der Schmerz war zweitrangig gegenüber seiner seelischen Pein.
    Niemanden hatte er zu Gesicht bekommen außer den anderen
    Gefangenen, die gewöhnlich hergebracht wurden, weil sie betrunken oder ein öffentliches Ärgernis waren. Wenn sie in die Ecke gepinkelt, gekotzt und schnarchend ihren Rausch ausgeschlafen hatten, ließ man sie wieder laufen. Der fette Hilfssheriff, der ihm das Essen brachte, das er selbst beim besten Willen nicht mehr verdrücken konnte, sagte kein Wort.
    Inzwischen stand fest, dass ein Detektiv von Pinkerton und Vance Gentry seine Identität herausgefunden und ihn aufgespürt hatten. Man würde ihn verurteilen, und das Urteil war beängstigend voraussehbar: Man würde ihn hängen.
    Er stand von der wackeligen Pritsche auf und ging in der Zelle auf und ab, wobei er schleimigen Pfützen auswich, deren genaue Zusammensetzung er lieber nicht untersuchte. Warum hätte er nicht einfach vor drei Jahren sterben können? Lydia hatte wahrscheinlich bei dem Versuch, sein Leben zu retten, das ihre geopfert. Wieviel mehr Liebe konnte man noch von jemandem verlangen? Und sie war gestorben in dem Glauben, dass er sie hasst e.
    »Coleman.«
    Er drehte sich hastig um. Es war der Hilfssheriff, wahrhaftig ein Schwein, sowohl in seiner Erscheinung als auch in seiner Einstellung zu Schmutz. Ross antwortete ihm nicht.
    Er warf durch die Stäbe ein paar Handschellen in die Zelle, die Ross auffing. »Anziehen«, quetschte er neben einem dicken Stück Kautabak heraus, von dem aus beiden Mundwinkeln bräunlicher Speichel über sein fleischiges Kinn rann.
    Ross gehorchte. Ob dieser Detektiv endlich kam, um mit ihm zu reden? Er würde die Aussage verweigern, bevor er nichts von Lydia erfahren hatte. Und wenn sie... gestorben war, würde er nichts sagen, so lange er nicht ihre Leiche gesehen hatte.
    Der Gefängniswärter schloss die Tür auf und machte eine ruckartige Kopfbewegung, die ihm bedeutete, er solle herauskommen. Auf dem Weg durch den schmalen Flur blieb der Hilfssheriff immer dicht hinter dem Gefangenen. Die Luft in der Revierstube war trotz der Hitze deutlich besser als in der Zelle, und Ross atmete tief durch, um den Gestank in der Nase loszuwerden.
    »Komm mit«, sagte der Hilfssheriff und drückte Ross seinen Hut auf den Kopf. »Und keine krummen Dinger!«
    Er führte Ross über die Gehwege der Stadt. Die Leute ringsumher achteten kaum auf den gefesselten Mann. Offensichtlich hatte Majors noch nicht bekanntgegeben, wer in ihrem Gefängnis einsaß. Sein Name mochte so weit im Westen nicht allzu bekannt sein, doch von Frank und Jesse James hatte jeder schon gehört. Es verwirrte ihn, dass niemand neugierig war.
    Sie wanderten ein paar Straßen weit, dann sagte der Fettwanst: »Hier«, und betrat ein ordentliches, einstöckiges Haus.
    Ross ließ sich von dem Mann durch die Tür in einen Flur stoßen, in dem eine große Standuhr gemütlich tickte. »Doc?« rief der Hilfssheriff.
    Ein Mann kam aus einem Zimmer im hinteren Teil des Hauses und machte die Tür hinter sich zu. Er näherte sich und sah den Hilfssheriff ungnädig an. »Danke, Ernie«, sagte der Doktor und öffnete die Haustür als deutlichen Hinweis für den Gesetzeshüter, dass er jetzt entlassen sei. Ernie setzte brummend seinen Hut wieder auf und walzte davon.
    Der kleine Mann mit der Halbglatze sah in Ross’ Gesicht auf. »Ich bin Doc Hanson.« Er deutete auf die Tür, aus der er gerade gekommen war. »Eure Frau ist dort drinnen.«
    Ross’ Herz sank wie Blei. Sie muss te tot sein, sonst hätten sie ihn nicht aus dem Gefängnis gelassen. Wenn sie noch lebte, hätten sie ihr irgendwann erlaubt, ihn zu besuchen.
    Er rang schwer nach Luft und schaffte es trotz der Handschellen, den Türknauf zu drehen. Drinnen schloss er mit dem Rücken zum Zimmer, die Tür. Dann drehte er sich zögernd um und musterte das Zimmer, bis er das Bett entdeckte.
    Innerlich machte er sich darauf gefa ss t, Lydia dort reglos in ihrem besten Kleid liegen zu sehen, die Hände über der Brust gefaltet. Aber er entdeckte nur eine buntgemusterte Steppdecke auf dem schmalen Eisenbett und eine Strickjacke über dem Fußende.
    Sein Blick durchsuchte weiter den Raum, bis er sie in einem Schaukelstuhl am offenen Fenster sitzen sah. Sie schaute ihn mit
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