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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft
Autoren: Sandra Brown
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hob sich auf die Ellenbogen, breitete die Schenkel auseinander und presste instinktiv mit. Das Blut pochte in ihren Ohren und den fest geschlossenen Augen. Ihr Unterkiefer tat weh, weil sie die Zähne so fest zusammenbiss ; ihr Gesicht war mit zurückgezogenen Lippen zu einer schrecklichen Maske verzerrt. Während einer kurzen Pause schnaufte sie verzweifelt. Dann kam der Schmerz wieder. Und wieder.
    Schreiend gab sie ihre letzte Energie für das endgültige Pressen, konzentrierte all ihre Kraft auf die Stelle, die auseinanderriss .
    Und dann war sie frei.
    Erschöpft fiel sie nach hinten, schnappte nach Luft und war jetzt dankbar für die Regentropfen, die ihr Gesicht kühlten. In dem Schweigen ringsum erklang nur ihr schweres Atmen und das Tropfen des Regens. Die Stille war grausig, erschreckend, seltsam. Das Kind, das sie gerade geboren hatte, hatte nicht den geringsten Laut von sich gegeben, bewegte sich nicht.
    Ohne noch an ihr Gebet von vorher zu denken, setzte sie sich mühsam wieder auf und zog ihren langen Rock zur Seite. Tierische Laute des Schmerzes und Kummers kamen über ihre geschwollenen Lippen, als sie das kleine Wesen tot zwischen ihren Beinen liegen sah, kaum mehr als ein Häufchen bläulichen Fleisches, das das Leben nie erfahren hatte. Die Nabelschnur, die es ernährt hatte, war auch das Instrument seines Todes gewesen, denn sie lag fest um den Hals des Kindes geschlungen. Sein Gesicht war eingedrückt. Es hatte sich in die Welt und den Tod zugleich gestürzt. Die junge Frau fragte sich, ob es sich entschlossen hatte zu sterben, weil es wusste , dass sogar seine Mutter es hassen würde - weil es den Tod einem Leben des Ungewolltseins vorzog.
    »Wenigstens muss test du nicht das Leben erleiden, Kleines«, flüsterte sie.
    Sie fiel zurück auf den modrigen Waldboden und starrte mit leerem Blick in den Himmel, wusste , dass sie Fieber hatte, wahrscheinlich auch phantasierte, und dass es verrückt war zu denken, ein Kind im Mutterleib würde selbst seinen Tod wünschen. Aber es ging ihr besser, wenn sie sich vorstellte, dass das Kind genausowenig hatte leben wollen, wie sie gewollt hatte, dass es lebte; es war genauso bereit gewesen zu sterben wie sie jetzt.
    Auf der Stelle müsste sie Gott um Vergebung bitten, weil sie froh war, dass ihr Kind nicht lebte, aber sie war zu müde. Gott würde das sicher verstehen. Schließlich hatte Er ihr ja auch diesen Schmerz auferlegt. Verdiente sie jetzt nicht endlich Ruhe?
    Sie schloss die Augen im Regen, der ihr Gesicht überströmte wie heilender Balsam. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals einen solchen Frieden empfunden zu haben, den sie aufrichtig willkommen hieß.
    Jetzt konnte sie sterben.
     
    »Meinste, dass sie tot is’?« krächzte die junge Stimme heiser.
    »Ich weiß nich’«, flüsterte eine kaum ältere Stimme. »Stoß’ sie an, dann wirst du’s ja sehen.«
    »Ich stoß’ sie bestimmt nich’ an. Tu du’s doch.«
    Der große, magere Junge kniete auf knochigen Knien neben der ausgestreckten, unbeweglichen Gestalt. Vorsichtig, wie sein Vater es ihm beigebracht hatte, stellte er sein Gewehr mit dem Lauf nach oben an den Baumstamm neben sich. Seine Hände zuckten nervös, als er sie zu der jungen Frau ausstreckte.
    »Du hast doch Angst, gib’s zu«, sagte der Kleine herausfordernd.
    »Nein, ich hab’ keine Angst«, zischte der Ältere zurück. Um das zu beweisen, streckte er den Zeigefinger aus und hielt ihn dicht neben die Oberlippe der Frau, ohne sie zu berühren. »Sie atmet«, sagte er erleichtert. »Sie is’ nich’ tot.«
    »Was meinste... Herrgott, Bubba, unter ihrem Kleid kommt Blut raus.«
    Erschreckt zog Bubba sich mit einem Satz zurück. Sein Bruder Luke hatte recht. Eine dünne Blutspur sickerte unter dem Saum ihres Kleides hervor. Sie hatte keine Strümpfe an, und das rissige Leder ihrer Schuhe wies Löcher auf. Die Schnürsenkel waren an mehreren Stellen zusammengeknotet.
    »Meinste, sie is’ erschossen worden oder so? Vielleicht sollten wir gucken...«
    »Ich weiß, ich weiß«, unterbrach Bubba ungeduldig. »Halt deinen verdammten Mund.«
    »Wenn du fluchst, sag’ ich’s Mama.«
    »Sei still!« Bubba starrte seinen jüngeren Bruder an. »Sonst sag’ ich ihr, dass du in das Waschwasser von der alten Watkins gepinkelt hast, weil sie mit dir geschimpft hat wegen deinem Lärm im Lager.« Luke war eingeschüchtert wie beabsichtigt, und Bubba wandte sich wieder der Daliegenden zu. Zögernd und ohne sich noch vorstellen zu
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