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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End
Autoren: Devan Sipher
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ich, dass sie sich mit einem stiernackigen, jungen blonden Kerl unterhielt, dessen Arme so dick wie meine Oberschenkel waren.
    Ich streckte meine Brustmuskeln heraus. Meine schlanken einsfünfundsiebzig konnten mit seiner durchtrainierten Matthew-McConaughey-Statur, die sich auch noch auf einsneunzig verteilte, nicht mithalten. Vor allem, weil er wahrscheinlich auch noch ein »Dr.« vor seinem Namen trug. Ich hatte also allen Grund, mich wieder anderen Dingen zuzuwenden, aber wie sie dort an ihrem neonfarbenen Cocktail nippte, war einfach unwiderstehlich. Sie beugte sich zu dem Möchtegern-McConaughey vor, und ich versuchte vergeblich, den Klang ihrer Stimme zu erhaschen. Sie stand nur knapp einen Meter von mir entfernt, aber zwischen uns drängten sich Menschenmassen.
    Dann kam eine Gruppe Partygäste aus der Küche und brachte das tektonische Gleichgewicht des Raums durcheinander. Das Meer von Körpern geriet in Bewegung, und es gelang mir, mich einige Zentimeter an sie heranzuarbeiten. Im gleichen Augenblick aber wurde ich unbarmherzig wieder zurückgeschwemmt. Es war wie ein Sog, und je mehr ich mich bemühte, dagegen anzukämpfen, desto stärker wurde er. Bis ich mich schließlich an eine Glastür gepresst wiederfand, die hinaus auf die Dachterrasse führte, während sie mit dem durchtrainierten Mittzwanziger in das angrenzende Schlafzimmer verschwunden war.
    »Arbeiten Sie am St. Luke’s?«, fragte mich ein Mann mit hochrotem Gesicht, der von links gegen mich gedrückt wurde. »Sie kommen mir so bekannt vor. Ich war mal Assistenzarzt da, auf der Inneren.«
    Ich habe tatsächlich vor ewigen Zeiten kurz Medizin studiert, es aber nicht weit gebracht. Ich war an der Columbia eingeschrieben. Dort lernte ich auch Hope kennen. Nach drei Semestern nahm ich eine einjährige Auszeit. Aus dem einen Jahr wurden zwei. Irgendwann wurde mir klar, dass es früher oder später zieht, wenn man eine Türzu lange offen stehen lässt. Also ließ ich mich offiziell exmatrikulieren. Das war mittlerweile über zehn Jahre her, und meine jüdischen Eltern hatten es noch immer nicht verwunden.
    Ich erzählte dem Magen-Darm-Typen, womit ich mein Geld verdiente. Daraufhin geriet seine Frau, die auf seiner anderen Seite eingequetscht stand, ganz aus dem Häuschen.
    »Oh mein Gott, ich liebe Ihre Kolumnen, die sind so unglaublich toll!«, quietschte sie vor Begeisterung. »Kann ich ein Foto von Ihnen machen?«
    Sie kramte in der Handtasche nach ihrem Handy. Dieses fragwürdige Privileg meines Jobs, dass Wildfremde manchmal ein Foto von mir machen oder ein Autogramm haben wollten, war mir unangenehm.
    »Sie sehen so gut aus!«, sagte sie. »Sie sehen genauso aus wie James Franco. Aber das hören Sie wahrscheinlich nicht zum ersten Mal.« Es stimmte, ein- oder zweimal hatte man mir das schon gesagt.
    »Nur älter«, sagte ihr Mann.
    »Mein Bruder heiratet in zwei Wochen«, fuhr sie fort, »der wäre perfekt für Ihre Kolumne.« Das war die Kehrseite der Medaille: Für jedes Lob, das man bekam, wurde auch eine Gegenleistung erwartet. »Das ist so eine schöne Geschichte«, begann sie.
    Ach, wirklich?
    »Also, mein Bruder geht jeden Montagabend in den Waschsalon. Wirklich jeden Montag. Aber dann, nur ein einziges Mal, da ist er an einem Dienstag gegangen, und dann –«
    »Tut mir leid«, unterbrach ich sie, »dieser Monat ist schon komplett voll bei mir. Aber ich wünsche Ihrem Bruder eine wunderschöne Hochzeit.«
    »Sie hat ein Foto von Ihnen gemacht, verdammt noch mal«, mischte sich ihr Ehemann ein. »Da können Sie sich ja wohl wenigstens auch ihre dämliche Geschichte zu Ende anhören.«
    James Franco musste sich so etwas garantiert nicht antun.
    Zum Glück schob sich ein kräftiger Typ zwischen uns, und so wurde ich vor der drohenden Auseinandersetzung mit dem Paar bewahrt. Von allen Seiten drückten und drängten sich Körper an mich, und ich merkte, wie die Nässe im Achselbereich und auf meiner Stirn erheblich zunahm. Hope war noch immer nirgends zu sehen, also schob ich kurzerhand die Terrassentür auf und floh hinaus in die kühle Winterluft.
    Sieben Stockwerke waren nicht hoch genug, um freie Sicht über die Dächer der Stadt zu haben, aber zwischen den Häusern konnte man einen pink- und lilafarbenen Sonnenuntergang bewundern. Wie aus einem Disneyfilm. Die frische Luft tat gut. Ich trat ans Geländer und warf einen Blick nach unten.
    »Hast du zufällig ein Bungeeseil dabei?«, hörte ich eine weibliche Stimme hinter mir.
    Ich
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