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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End
Autoren: Devan Sipher
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ist denn dein Lieblingstrick?«, fragte sie.
    »Einer schönen Frau das Gefühl zu geben, sie würde einen Bungeesprung machen, obwohl sie ganz still steht.« Während ich noch überlegte, was ich damit eigentlich sagen wollte, bemerkte ich, dass sie rot geworden war. Ich deutete das als ein gutes Zeichen.
    »Warst du dafür an einer Zauber-Uni?«
    »Kann man so sagen«, antwortete ich. »Ich habe zwei Jahre studiert, und hinterher war ich wie durch Zauberei um dreißigtausend Dollar ärmer.« Wir standen so nah voreinander, dass ich sie hätte küssen können.
    »Ich habe mich für die Arbeit an meinem Buch für einen Master in Kreativem Schreiben an der N. Y. U. eingeschrieben. Ich gehe also mit bei deinen dreißig und erhöhe um zehn.«
    Bevor ich darauf etwas Entsprechendes erwidern konnte, tauchte auf einmal ein hoch aufgeschossener Typ im Ledermantel hinter ihr auf und legte ihr den Arm um die Hüfte.
    »Hey, Süße«, sagte er sanft.
    Sie fiel ihm stürmisch um den Hals und umarmte ihn sehr lange. Ich sank enttäuscht in mich zusammen. Nach etwa fünfzehn Sekunden, die sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlten, räusperte ich mich.
    »Gavin«, sagte sie und löste sich von ihm, »das ist Jamie.« Er nickte mir knapp zu, vielleicht hatte er aber auch nur kurz seine langen Locken geschüttelt. »Jamies Mitbewohner kennt jemanden, der mit dem Typen zusammenarbeitet, der diese Party hier gibt. Wir sind eigentlich gar nicht eingeladen.«
    Ihn hätte ich auch nicht eingeladen. Und anscheinend hatte er es auch ziemlich eilig, zur nächsten Party ohne Einladung aufzubrechen. Der Weg war nicht breit genugfür drei Leute, also lief ich auf dem Weg zurück zur Treppe dicht hinter den beiden her. Er flüsterte Melinda etwas ins Ohr, und sie lachte kurz auf. Er hatte blasse, pockennarbige Haut und war nur ein paar Zentimeter größer als ich. Mit dem konnte ich es locker aufnehmen.
    »Wir haben uns an einem Vishnu-Schrein in Katmandu kennengelernt«, erklärte Melinda. »Jamie hat mich auf seinem Motorrad nach Bandipur mitgenommen.« Na ja, vielleicht nicht ganz so locker. »Seitdem sind wir befreundet.« Nicht zusammen. Befreundet. Aber wenn sie nur Freunde waren, wieso hatte er dann immer noch den Arm um ihre Hüfte?
    Er beugte sich zu ihr. Schon wieder flüsterte er ihr irgendetwas ins Ohr. »Das war nicht in Bandipur«, lachte sie. »Das war in Gorkha.«
    Mit romantischen Erinnerungen an Nepal konnte ich beim besten Willen nicht dienen. Ich musste schnell das Thema wechseln.
    »Worum geht’s denn in deinem Buch?«, fragte ich.
    »Um Nepal«, sagte sie. Ich hätte mir am liebsten eine runtergehauen. »Ich komme leider nicht so gut voran. Irgendwer hat mal gesagt, dass ein Schriftsteller jemand ist, dem das Schreiben schwerer fällt als anderen Leuten.«
    »Thomas Mann«, sagte ich. Ich hatte endlich meine Seelenverwandte gefunden.
    Sie sah mich erstaunt an, als würde sie mich auf einmal in einem anderen Licht sehen. »Das Problem ist, dass ich nicht nur ein Buch über meine Erfahrungen schreiben will. Es soll ein Buch darüber sein, was es bedeutet zu reisen. Physisch und psychisch.«
    Wir waren wieder an der Treppe angekommen, und Jamie ging vor. Ich war mir immer noch nicht sicher, ob die beiden ein Paar waren oder nicht. Dass er mich einfach somit ihr allein ließ, konnte ein Zeichen seiner immensen Selbstsicherheit sein oder ein Zeichen für sein Desinteresse.
    »Wusstest du, dass das englische Wort travel vom französischen travail kommt?«, fragte Melinda. »Und das kommt vom lateinischen tripalium , was überraschenderweise der Name eines dreizackigen Folterinstruments ist.«
    Passend zum Stichwort begann Jamie, von unten an das Metallgeländer zu klopfen.
    Melinda schien unsere Unterhaltung eigentlich nicht beenden zu wollen, näherte sich aber trotzdem der Treppe. Unter uns lag die Terrasse und dahinter ein Mosaik aus erleuchteten Fenstern und den grauen Schaumkronen auf dem Hudson River.
    »Das Reisen wurde früher als schmerzhaft und mühselig empfunden«, fuhr sie fort.
    »Und das war noch vor den heutigen Flughafenkontrollen«, versuchte ich mich an einem Witz. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es jemals etwas Schmerzhafteres oder Mühseligeres gegeben hatte als meine Bemühungen geistreich zu sein.
    Sie lachte und griff vorsichtig nach dem Treppengeländer. Sie zitterte.
    »Runter ist immer am schwersten.«
    Mir kam eine Idee. »Dreh dich um«, sagte ich. Sie tat es und hielt dabei das Geländer weiter
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