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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End
Autoren: Devan Sipher
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ergattert hatte. Die letzten fünf Jahre waren wie im Flug vergangen, oder sagenwir besser: Ich habe sie in einem Zustand chronischen Schlafentzugs verbracht, da ich mehr als achtzig Stunden pro Woche arbeitete. Mittlerweile hatten sich auf meinem Kopf bereits erste graue Haare zwischen die braunen geschlichen. Bald würde sich jedoch alles ändern. Dieses Jahr würde ich eine Frau finden. Eine, die intelligent war. Eine, die nicht auf den Mund gefallen war, mit einem großen Herzen und einem tollen Lächeln. Eine wie Jill.
    Sie war Kundenbetreuerin in einer Werbeagentur und hatte ein merkwürdiges Faible für Fellini-Filme. Sie war mir letzten Monat während eines 5000-Meter-Wettlaufs durch den Central Park aufgefallen. Ich lief die letzte Runde neben ihr und ließ sie dann gewinnen. Sie fand mich süß. Ich war hingerissen von ihr. Seitdem hatten wir nur selten Zeit für ein Date gehabt. Silvester miteinander zu verbringen, stellte also einen großen Schritt dar. Nicht für die Menschheit, aber für den Journalisten in mir, der seine einzelnen Schritte immer sehr genau prüft und sich nicht auf Vermutungen verlässt.
    »Die Ballonaktion um Mitternacht steht symbolisch für die emotionale Reise der Braut an ihrem Hochzeitstag«, fuhr Barbara fort, ohne jeden Anflug von Ironie in der Stimme. »Sie müssen einfach dabei sein.«
    Barbaras Ton hatte sich blitzartig geändert, von flötender Bewunderin zum bellenden Feldwebel. Ich hielt mich schon seit Stunden im Angel Orensanz auf und hatte bis auf die Klofrau wirklich jeden interviewt. Obwohl die Hochzeit für neunzehn Uhr geplant war, begann der Pfarrer erst einige Minuten nach acht mit der Zeremonie. Der Grund für diese Verspätung wurde nicht genannt. Laut Barbara handelte es sich um einen »Akt Gottes«. Übersetzt: Es war zu einer Brautkleidproblematik gekommen, die aber mit einer geschickt angebrachten, kleinen Diamantbroschegelöst werden konnte, die der Bräutigam auf die Schnelle bei »Bergdorf’s« erstand.
    Die Cocktail-Hour dauerte inzwischen schon fast anderthalb Stunden. Ich rechnete nach. Wenn ich mich nach dem ersten Tanz von Braut und Bräutigam wegschlich, würde ich es gerade noch schaffen, Jill abzuholen, und wir wären rechtzeitig im Restaurant. Vorausgesetzt, der Taxigott war uns milde gestimmt.
    Aber was, wenn diese Ballonsache wirklich etwas Besonderes war? Wenn das Paar Punkt Mitternacht irgendetwas sagte oder tat, das die Essenz ihrer Beziehung auf einzigartige Weise ausdrückte?
    Ich sah auf die Uhr und rief mir ins Gedächtnis, dass ich schon vor der Hochzeit eine Unmenge von Interviews mit Braut und Bräutigam geführt hatte. Ich hatte auf meinem Computer eine Datei mit über vierzig Seiten. Das waren etwa zehntausend Wörter, und ich sollte daraus einen Artikel von tausend machen. Aber ich finde schwer ein Ende, mir sitzt ständig die Angst im Nacken, etwas Wichtiges zu verpassen.
    »Mimi wäre bestimmt enttäuscht, wenn Sie nicht bleiben«, flüsterte Barbara, als das Paar endlich seinen großen Auftritt hatte. Sie schwebten herein. Ihre schmale Meerjungfrauensilhouette voran, er dahinter: breitschultrig, in einem perfekt sitzenden, taillierten Smoking mit schmalem Revers. Seine silbrig glänzende Krawatte war auf die Haarnadeln in ihrer Hochsteckfrisur abgestimmt. Sie schritten durch die Menge und lächelten, winkten, umarmten, küssten. Und ja, sie sahen strahlend schön aus.
    »Man merkt ihr gar nicht an, was sie durchgemacht hat«, seufzte Barbara und eilte dann auf einen Mann in Hemdsärmeln und mit Dreitagebart zu, der einen Kescher und einen Eimer trug.
    Mimi war bei Weitem keine so tragische Heldin, wie Barbara es klingen ließ. Mit vierzehn hatte man bei ihr eine Verkrümmung der Wirbelsäule festgestellt, und sie hatte drei Jahre lang eine orthopädische Rückenstütze tragen müssen. Bei einem unserer Gespräche hatte sie mir ein Foto von sich als Teenager gezeigt, auf dem sie eine gruselig aussehende Metallvorrichtung trug, die fast die Hälfte ihres Körpers bedeckte. Ihre Schwester beschrieb sie als extrovertiertes, sportliches junges Mädchen, dessen Welt über Nacht auf den Kopf gestellt wurde. An ihrer gnadenlos statusorientierten Highschool wurde sie von dem Tag an unablässig von ihren ehemaligen Mitspielerinnen aus dem Tennisteam wegen der unvermeidlichen Gewichtszunahme und der unmodernen, weiten Kleidung gehänselt. Bei sämtlichen Tanzveranstaltungen zur Zuschauerin verdammt, schwor sie sich, eines Tages ein
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