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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End
Autoren: Devan Sipher
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doch rein und wärm dich ein bisschen auf.« Sie lächelte mitfühlend, ein ganz anderes Lächeln als das, was mich so umgehauen hatte. Das schien ihm völlig den Wind aus dem OP-Kittel zu nehmen. Er hob grüßend sein Corona in meine Richtung und verschwand nach drinnen. Ein Gefühl, als hätte ich Goliath besiegt. Wenn auch nicht mit meiner eigenen Steinschleuder.
    »Manche Leute kriegen einfach nicht mit, wenn man mit dem Zaunpfahl winkt«, sagte Melinda. Sie genoss den Sieg offensichtlich nicht so sehr wie ich. Unzufrieden knabberte sie an einem Fingernagel. Sie drehte sich um, und ich fragte mich, ob ich auch gerade einen Zaunpfahl übersah.
    »Hast du eine Ahnung, was da oben ist?« Sie zeigte auf die Wendeltreppe, die ein Stück weiter über uns endete.
    »Das Dach«, antwortete ich nicht sehr clever.
    »Aber was ist auf dem Dach?« Sie stieg bereits die Treppe hinauf, und ich eilte ihr hinterher.
    »Vermutlich Luftschächte, ein Wassertank und vielleicht noch eine Satellitenschüssel«, versuchte ich das Gespräch aufrechtzuerhalten, während ich die letzten Stufen hinaufhechtete.
    »Irrtum«, sagte sie leise.
    Durch hüfthohes, trockenes Gras wand sich ein Pfad aus Holzplanken. Überall standen kleine Laternen wie Glühwürmchen vor einem dunklen Himmel. Wir gingen den gewundenen Pfad entlang, an dessen Ende wie ein kleiner Teich ein Whirlpool stand. Dampf stieg von der sich kräuselnden Oberfläche auf. Ich kam mir vor wie Emily Brontës Heathcliff im Moor.
    Dicht nebeneinander umrundeten wir langsam den Whirlpool. Ihre langen Locken tanzten sanft im Wind und wurden vom Licht der umstehenden Gebäude angestrahlt. Ich musste etwas sagen. Egal was. »Wo hat dich deine letzte Reise hingeführt?«
    »Ich habe ein halbes Jahr in Katmandu verbracht.« Sie hätte auch Kansas City sagen können, ich wäre genauso beeindruckt gewesen. Sie hatte aber nicht Kansas City gesagt. »Ich habe für Lonely Planet Reiseberichte geschrieben und währenddessen ehrenamtlich in einem Waisenhaus gearbeitet. Danach war ich einen Monat lang als Englischlehrerin in einem kleinen Dorf tätig und habe frei ein paar Artikel über den kulturellen Einfluss von Abenteuertourismus geschrieben.«
    Neben ihr fühlte ich mich unzulänglich – als Journalist und als Mensch.
    »Ich bin bestimmt die Einzige, die in Nepal war und keinen Berg bestiegen hat«, sagte sie. »Scheiß Höhenangst.«
    »Hier bist du doch ganz gut raufgekommen«, sagte ich und schob mich näher an sie heran, während wir das blubbernde Wasser umrundeten.
    »Eleanor Roosevelt hat mal gesagt, man soll jeden Tag etwas tun, wovor man Angst hat. Mehr als eine Treppe mit Geländer ist bei mir aber nicht drin.« Wenn ich nicht halluzinierte, war auch sie etwas näher gekommen. »Ich gerate aber auch schon in niedrigeren Höhen in Schwierigkeiten.Einmal war ich an einem See im Himalaya. Als die Sonne unterging, stieg dichter Nebel zwischen den Bäumen auf. Ich hatte die ganze Zeit fotografiert und vollkommen die Zeit vergessen. Der Weg war von der Dunkelheit wie verschluckt. Ich hatte wirklich Angst, nicht mehr in die Zivilisation zurückzufinden.«
    »Du warst doch aber nicht allein unterwegs, oder?«
    »Genau das hat mich mein Opa auch gefragt, als ich ihm davon erzählt habe.« Aua . »Mein Großvater bedeutet mir sehr viel«, fügte sie hinzu.
    »Ganz schön beeindruckend, als Frau dort ganz allein unterwegs zu sein.« Hoffentlich klang das weder nach Macho noch nach einem Achtzigjährigen.
    »Ich weiß, es ist wahnsinnig«, antwortete sie. »Ich hatte unglaubliche Angst, aber mir macht es ja schon Angst, morgens aufzustehen. Im Ernst. Als Kind habe ich oft geträumt, dass ein Flugzeug abstürzen und bei mir ins Fenster krachen würde. Das war lange vor dem 11. September, ich war einfach ein bisschen seltsam. Oh Gott, jetzt hältst du mich bestimmt für so eine typische Neurotikerin, die man immer auf New Yorker Partys trifft.«
    »Ich halte dich überhaupt nicht für neurotisch.«
    Sie beschenkte mich wieder mit einem Lächeln. Die perfekte Gelegenheit, etwas zu sagen, das sie völlig umhaute. Stattdessen sagte ich: »Ich bin nicht Krankenpfleger.«
    »Lass mich raten.« Sie blieb stehen und grinste. »Du bist Zauberer.«
    »Genau«, antwortete ich im selben flirtenden Ton wie sie und suchte verzweifelt nach einem witzigen Spruch. Es war immer so viel einfacher, wenn ich vor meinem Computer saß. Vielleicht sollte ich runtergehen und ihr von dort eine SMS schicken.
    »Was
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