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Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition)
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
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Beste war, was mir passieren konnte. Aber dann will jeder wissen, was ich damit meine, und warum eine lebensbedrohliche Krankheit etwas Gutes sein könne? Ich sage das, weil meine Krankheit zugleich mein Gegengift war: Sie hat mich von meiner Faulheit geheilt.
    Bevor ich die Diagnose erhielt, war ich ein Bummler. Ich bekam viel Geld für einen Job, den ich nicht zu 100 Prozent machte, und das war mehr als nur eine Schande – es war ein Fehler. Als ich krank wurde, sagte ich zu mir selbst: Falls ich eine zweite Chance bekomme, werde ich es besser machen – und ich werde für etwas arbeiten, das größer ist als nur ich selbst.
    Sally Reed, eine Freundin von mir, die ebenfalls den Krebs überlebt hat, bringt die Erfahrung besser auf den Punkt als irgendjemand sonst, den ich kenne. »Mein Haus ist abgebrannt«, sagt sie, »aber jetzt kann ich den Himmel sehen.«
    Bei Sally wurde im Frühjahr 1999 wuchernder Brustkrebs diagnostiziert. Die Krankheit hatte bei ihr die dritte Stufe erreicht und auf ihr Lymphsystem übergegriffen. Sie würde Bestrahlung und Chemotherapie über sich ergehen lassen müssen. Sofort nach der Diagnose fielen ihre kleineren Ängste von ihr ab und wurden durch diese neue, große Angst ersetzt. Sie hatte sich so sehr vor dem Fliegen gefürchtet, dass sie sich seit über 15 Jahren nicht mehr in ein Flugzeug gesetzt hatte. Nachdem sie die Diagnose erhalten hatte, rief sie eine Fluglinie an und buchte einen Flug zu den Niagarafällen. Sie flog alleine, getrieben von dem Wunsch, die gewaltigen Fälle mit eigenen Augen zu sehen.
    »Ich wollte etwas sehen, das größer ist als ich«, erklärt Sally.
    Eine tödliche Krankheit bricht, wie die meisten persönlichen Katastrophen, zumeist aus heiterem Himmel über einen herein. Ohne Vorwissen, ohne böse Vorahnung wacht man eines Morgensauf, und irgendetwas stimmt nicht mit der Lunge oder der Leber oder den Knochen. Die Nähe des Todes hat bei mir reinen Tisch gemacht, und was danach kam, war das deutliche, ungetrübte Wissen darum, dass meine Zeit begrenzt ist, dass ich gut beraten bin, jeden Morgen mit einem klaren Kopf und dem Bewusstsein aufzustehen, dass ich nur eine einzige Chance habe, diesen einen Tag heute richtig zu leben, meine Tage zu einem aktiven und von einem Zweck, einem Ziel erfüllten Leben zusammenzufügen.
    Wenn Sie wissen wollen, was mich im Sattel hält, wenn ich mich sechs Stunden durch den Regen einen Alpengipfel hinauf- kämpfe, hier haben Sie die Antwort.
    Die Erfahrung, dem Tod so nah gewesen zu sein, war klärend, der Erfolg jedoch, der danach kam, paradoxerweise verwirrend.
    Der Erfolg machte mein Leben komplizierter, und zwar auf Dauer. Der Gewinn der Tour de France 1999 zog viel mehr nach sich, als ich es mir je hätte träumen lassen, von dem ersten, noch sprachlosen Moment an, als ich in Austin aus dem Flugzeug ausstieg und in der Nacht meiner texanischen Heimat die Menschenmenge sah, die mich erwartete. Auf den Straßen stand mit gelber Farbe » Vive la Lance« geschrieben, darüber waren Banner gespannt, und Freunde hatten unser ganzes Haus mit gelben Blumen, Luftschlangen und Ballons geschmückt. Ich wurde, zu meinem großen Erstaunen, von unserem damaligen Gouverneur George W. Bush ins State Capitol eingeladen, und danach folgte eine Parade durch die Stadt, angeführt von über 6000 in Gelb gekleideten Radfahrern. Links und rechts der Strecke standen die Leute in zwei Meter breiten Reihen, hielten Schilder hoch und schwenkten Fahnen.
    Ich konnte es nicht fassen: Wer war ich schon? Ein verrückter Radrennfahrer aus Austin, der Margaritas und Tex-Mex-Food liebte. Und überhaupt, Amerikaner hatten doch gar nichts übrig für Radrennen! »Du kapierst es einfach nicht«, sagte mein Freund und Agent Bill Stapleton.
    Ich lebte in einem Zustand konstanter Überspanntheit; die Luft war dünn und wurde dünner, und zu allem hinzu kam noch, dass Kik und ich auf die Geburt unseres ersten Kindes warteten. Ich wartete darauf, dass die Dinge sich wieder ein wenig beruhigten, aber das taten sie nicht – im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Bill wurde mit Angeboten und Anfragen von potenziellen Sponsoren und Werbepartnern überschwemmt. Er schloss einige lukrative neue Verträge mit prestigeträchtigen Sponsoren wie Bristol-Myers Squibb, Nike und Coca-Cola für mich ab, Verträge, die natürlich neue Verpflichtungen mit sich brachten: Filmaufnahmen für ein halbes Dutzend Werbespots, Fotoshootings für Zeitschriftenanzeigen und die
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