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Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition)
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
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Wheaties-Verpackung. In dieser Zeit verdiente ich mir den Spitznamen »Lance Incorporated«, ich war nicht mehr einfach ein Mensch, ich war ein Unternehmen geworden.
    Der Sieg bei der Tour de France generierte 50 Millionen Dollar an weltweiter Medienresonanz für den Radrennstall United States Postal Service. Unser Budget wurde aufgestockt, und unser Team war jetzt ein das ganze Jahr über aktives Unternehmen mit einem Budget von sechs Millionen Dollar und Dutzenden von Mitarbeitern, Mechanikern, Köchen und Buchhaltern.
    Mit dem Erfolg kam der Ruhm – und die Frage, wie man vermeidet, dass er einem zu Kopf steigt. Wir erhielten Einladungen, die Kik und mich in absolutes Erstaunen versetzten. Robin Williams bot uns sein Privatflugzeug an, Kevin Costner sein Haus in Santa Barbara, und Elton John lud uns zu einer Super-Bowl-Party ein. Kik und ich kamen uns vor wie Forrest Gump, der sich irgendwo im Hintergrund von Aufnahmen berühmter Menschen herumdrückt. Wir waren beeindruckt, manchmal sogar so sehr, dass wir die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter speicherten und sie ehrfurchtsvoll mehrmals abhörten.
    Aber Ruhm ist, wie ich lernte, ein Isotop, und zwar eines, das einem nicht gut tut. Wenn man berühmt wird, setzt um einen herum eine Art radioaktiver Zerfallsprozess ein, ein schleichenderund potenziell katastrophaler Zerfallsprozess. Die ständige Beachtung, die man erhält, kann süchtig machen. Zweifelsohne hätte ich mich in einen aufgeblasenen Deppen verwandeln können, und zweifelsohne gibt es manche Leute, die genau das von mir denken, sosehr ich mich auch stets bemüht habe, in allem das rechte Maß zu finden.
    »Bono hat mich angerufen«, sagte ich eines Nachmittags zu Kik.
    »Echt?«, gab sie zurück. »Mich hat Brad Pitt angerufen. Er will wissen, wann wir zu Mittag essen.«
    Okay, ich hab’s kapiert.
    Ich wusste nicht so recht, wie ich mit alledem umgehen sollte, bis ich eines Tages über eine Bemerkung von J. Craig Venter stolperte, einem der Männer, die mitgeholfen haben, das menschliche Genom zu entschlüsseln. »Ruhm«, sagte Ventner, »ist etwas inhärent Negatives. Das Verhalten der Leute einem selbst gegenüber wird von ihrem vorgefertigten Bild von einem bestimmt, und das bedeutet, dass man ständig im Nachteil ist.« Ich stimmte zu. Ich war nichts weiter als der Sohn einer allein erziehenden Mutter aus Plano, Texas, einer Sekretärin, die mir ihre bodenständige Arbeitsethik mit auf den Weg gegeben hatte. Ich fand es unnatürlich, von Fremden verehrt zu werden oder, im Gegenzug, fremde Menschen zu verehren: Ich zog es vor, meine Mutter zu verehren oder meine Teamkollegen. Das waren die Menschen, auf die ich mich in schlechten Zeiten verlassen konnte.
    Verstehen Sie mich nicht falsch: Mir gefällt, was mir der Gewinn der Tour de France gebracht hat, für mich als Mensch, für mich als Sportler und für meine Familie. Der Sieg hat mein Leben sehr zum Besseren verändert, und dafür war und bin ich dankbar. Aber ich musste auch erfahren, dass nicht jeder, der nach Paris geflogen kam und an der Zieleinfahrt auf mich wartete, auch ein Freund war. Und ich musste erfahren, dass Reichtum nur eines bedeutet: dass man viel Geld hat. Wer über Ruhm und Reichtum anders denkt, läuft Gefahr, sich zu versteigen – zu denken, erhätte es verdient, weil er etwas Besonderes ist, und zu glauben, er sei deshalb besser als andere oder gar klüger.
     
    Für eine Sache hat sich der Ruhm als sehr nützlich erwiesen: Er bietet mir eine riesige und beachtete Plattform, von der aus ich Lobbyarbeit für meine Krebsstiftung betreiben kann. Ich war zu einem Symbol geworden, zum Paradebeispiel dafür, wie erbarmungslos die Krankheit zuschlagen kann, und jetzt konnte man mich auf Schachteln mit Frühstücksflocken bewundern, bei Late Night with David Letterman im Fernsehen, und sogar ins Weiße Haus wurde ich eingeladen.
    Anfangs konnte ich die große Neugierde der Menschen nicht so recht verstehen. Warum interessierten sie sich so sehr für mein Leid? Aber eines Tages sagte Kik: »Du bist am Abgrund gestanden, auf der Schwelle zwischen Leben und Tod, und du hast einen Blick in den Abgrund geworfen. Du hast gesehen, was es von diesem Punkt aus zu sehen gibt, und du bist zurückgekehrt. Diese Perspektive sollst du mit uns teilen.«
    Diese Erfahrung, dass ich wieder ins Spiel zurückgeworfen worden war, das verstand ich nun allmählich, war wichtig; allein schon durch meine Teilnahme an der Tour demonstrierte ich, dass
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