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Janusliebe

Janusliebe

Titel: Janusliebe
Autoren: E Mier
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zusammen und wandte sich an Law-
rence.
«Als ich Virginia kennen lernte, ging es mir in etwa so wie dir», sagte er in dem
beruhigend-freundlichen Ton, den er sich im Laufe seiner Berufsjahre angeeignet
hatte. «Ich konnte nicht essen, nicht schlafen und mich kaum auf meine Arbeit
konzentrieren. Als ich es nicht mehr aushielt, habe ich zu einem Mittel gegriffen,
das mir dann prompt geholfen hat.»
«Welches?» Lawrence schnellte gespannt in seinem Sessel vor.
Richard lächelte nachsichtig. «Ich habe Virginia gefragt, ob sie mich heiraten
möchte.» Enttäuscht sank Lawrence in sich zusammen.
«Das habe ich schon ausprobiert, es hat nicht geholfen.» Richard Cline ver-
drehte ungeduldig die Augen.
«Aber ich habe sie dann auch wirklich geheiratet!», erwiderte er schärfer als
beabsichtigt. «Falls du dich erinnerst, du warst damals unser Trauzeuge. Ich habe
Virginia gefragt, sie hat ja gesagt und vier Wochen später haben wir geheiratet.
Seitdem schlafe ich wieder hervorragend, habe mir eine gut gehende Praxis auf-
gebaut und kämpfe mit meinen Pfunden, weil mein Appetit doppelt so groß ist
wie früher.» Er holte Luft. «Du siehst, wenn man sich der Liebe stellt, kommt man
wieder in die Reihe.»
Lawrence erhob sich. Für einen Moment blieb er vor dem Freund stehen und
blickte mit finsteren Augen auf ihn herab, dann drehte er sich um und begann
eine unruhige Wanderung durch das große Behandlungszimmer.
    Richard Cline beobachtete ihn schweigend, während Lawrence zwischen Me-
dikamentenschrank und Chromregal hin und her lief wie ein Tiger im Käfig.
«Der Teppich ist neu», meldete sich Richard nach geraumer Zeit zu Wort.
Lawrence unterbrach seine Wanderung und sah ihn irritiert an. «Wie bitte –
was sagtest du eben?»
«Ich machte dich darauf aufmerksam, dass dieser Teppich nagelneu ist», wie-
derholte Richard geduldig. «Sei bitte so gut und setz dich wieder, bevor du ein
Loch hineingelaufen hast.»
«Verdammt noch mal!», brauste Lawrence auf. «Ich komme hierher, um mir
ärztliche und freundschaftliche Hilfe zu holen, und du redest über Teppiche! Gib
mir gefälligst einen vernünftigen Rat oder schick deine Approbation zurück. Auf
jeden Fall tu endlich etwas für mich. Hilf mir!»
Das Letzte sagte Lawrence allerdings so laut, dass Virginia Cline entsetzt in die
Praxis stürzte. Richard winkte ihr beruhigend zu.
«Lawrence hat ein Problem», sagte er rasch zu ihr und machte ihr ein Zeichen,
das so viel wie «Er ist nicht ganz klar im Kopf!» bedeuten sollte.
Virginia atmete auf und verließ das Zimmer in der üblichen diskret-rück-
sichtsvollen Weise.
«Ich habe gesagt, dass du dieser Frau einen Heiratsantrag machen sollst»,
wandte Richard sich erneut an seinen Patienten. «Allerdings nicht in deiner ge-
wohnt direkten Art, sondern liebevoll und vor allem freundlich. Sie wird dann
bestimmt nicht nein sagen.»
«Was verstehst du unter liebevoll?», murrte Lawrence und kehrte zu seinem
Sessel zurück. «Wenn du Süßholzraspeln und verliebte Augenaufschläge meinst,
vergiss es. Das Getue nimmt Carry mir nicht mehr ab.»
«Dann kennt sie dich wohl schon sehr gut», überlegte Richard laut. «Das ist
natürlich ein Problem.»
«Wie bitte?»
«Schon gut!», Richard winkte ab. «Ich meinte nur, dass es schon ein Problem
ist, wenn man sein Herz nicht auf der Zunge trägt. Es wäre in deinem Fall besser,
wenn du einmal aus dir herausgehen könntest.»
«Aber Richard.» Lawrence schüttelte angewidert den Kopf. «Du meinst doch
nicht etwa im Ernst, dass ich ...» Er stockte, würgte offensichtlich an einem Wort,
das ihm buchstäblich im Halse steckte. «Dass ich eine ... äh ... Liebeserklärung ma-
chen soll?!»
«Du hast es erfasst!» Richard grinste erleichtert. «Eine schöne Liebeserklä-
rung mit roten Rosen und parfümiertem Briefpapier. Das macht jedes Frauenherz
weich.»
    «Und was mache ich, wenn das nicht hilft?»
«Dann kommst du wieder zu mir», tröstete Richard. «Mir wird dann schon
was einfallen, das dir weiterhilft.»
«Danke.» Lawrence konnte Richards Zuversicht nicht teilen, aber er gab es auf,
den Freund weiterhin mit seinen Problemen zu löchern.
Im Grunde hatte ihm Richard nichts Neues erzählt. Lawrence war nach endlo-
sen durchwachten Nächten schon selbst auf die Lösung gekommen, die ihm der
Freund eben präsentiert hatte. Aber alles in ihm wehrte sich noch dagegen, einem
Menschen so sein Innerstes zu offenbaren. Lawrence seufzte
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