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Janusliebe

Janusliebe

Titel: Janusliebe
Autoren: E Mier
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leidgeprüft. Es würde
ihm nichts anderes übrig bleiben, als zu kapitulieren, denn die Liebe ließ ihm nur
zwei Möglichkeiten: Entweder er verbiss sich in seinem Schmerz und machte sich
damit ganz Denver zum Feind, oder er sprang ins kalte Wasser und gestand Carry
seine geheimsten Gefühle. Da Lawrence sich nicht wünschte, dass kleine Kinder
eines Tages bei seinem Anblick in lautes Angstgeschrei ausbrachen, musste er
wohl die zweite Alternative wählen.
———————
«Gute Nacht!» Carry winkte Robby zu, der noch über einem Artikel brütete,
und ging am Büro der Chefredakteurin vorbei zu den Fahrstühlen.
Endlich Feierabend! Die Uhr über dem Kaffeeautomaten zeigte die dritte Ta-
gesstunde an. Carry fühlte sich müde und ausgelaugt. Sie wollte nur noch in ihr
Bett und schlafen, schlafen und nochmals schlafen.
Der Personalparkplatz wurde nachts von einer großen Bogenlampe erhellt, die
gerade genügend Licht spendete, um seinen Wagen finden zu können.
Carry hatte ihr Auto ganz am Ende des abgetrennten Areals abgestellt. Hin-
ter den Scheibenwischern klemmte ein Wust an Werbeflyern. Sie riss sie heraus,
knüllte sie achtlos zusammen und ließ sie fallen.
Im nächsten Moment begannen eine Million bunter Sternchen vor ihren Au-
gen zu tanzen. Der Angriff kam so überraschend, dass Carry im ersten Augenblick
gar nicht begriff, was das würgende Gefühl in ihrem Hals auslöste. Doch dann
spürte sie den harten Arm, der ihren Kehlkopf eindrückte, spürte etwas Spitzes,
das sich in ihren Rücken bohrte, und fühlte den warmen Atem, der an ihrer rech-
ten Gesichtshälfte vorbeistrich.
Der eiserne Griff lähmte sie. Obwohl sie beide Hände frei hatte, war sie nicht in
der Lage, sie zu ihrer Rettung zu benutzen. Steif wie ein Stock stand sie da und sah
die Sterne, die auf sie zuzufliegen schienen.
Dann setzte plötzlich ihr Lebenswille ein. Sie hob die Hände und versuchte,
den Arm von ihrem Hals zu zerren. Aber je mehr sie zerrte und zog, desto heftiger
    wurde der Druck. Schon wurde ihr die Atemluft knapp, Todesangst überkam sie.
«Jetzt ist Schluss, du kleine Schlampe», zischte eine Stimme, dicht an ihrem
rechten Ohr. «Fahr zur Hölle!»
Der Arm würgte sie mit einem kräftigen Ruck, so fest, dass sie glaubte, ihr
Kehlkopf würde brechen. Ihre Zunge glitt aus dem Mund, schwoll an, bis sie sich
wie ein dicker, vollgesogener Schwamm anfühlte.
Die Spitze eines Messers bohrte sich durch ihre Jacke und das Shirt in ihren
Rücken. Doch sie spürte keinen Schmerz, nur Verwunderung über die Gewissheit,
dass dies die letzten Sekunden ihres Lebens waren. Kein Pulitzerpreis, kein feines
Apartment in der Arapahostreet, keine Babys, kein Hund ...
Plötzlich war sie frei. Es geschah so unerwartet, dass Carry der Länge nach hin-
fiel. Ihre Hände fuhren zum Hals, keuchend versuchte sie, frische Atemluft in ihre
ausgedörrten, schmerzenden Lungen zu saugen.
«Ruhig, ganz ruhig.» Das war Robbys sanfte Stimme. Vor Erleichterung über
sein Erscheinen brach Carry augenblicklich in Tränen aus. «Es ist alles gut»,
sprach er auf sie ein. «Komm, komm, sei still. Wir sind ja bei dir.»
Er setzte sich neben sie auf den Boden und zog Carry in seine Arme. Wie ein
Kind wiegte er sie, bis das Zittern ihres Körpers ein wenig nachließ. Ein seltsames
Geräusch, einem Knurren ähnlich, ließ sie aufblicken. Ihre Augen weiteten sich
in grenzenlosem Erstaunen, als sie Lawrence sah, der eine wildfremde Frau im
Schwitzkasten hielt. Sie fluchte wie ein Bierkutscher und trat um sich, aber Law-
rence hielt sie eisern fest.
«Die Polizei ist gleich da!», rief er Carry zu. «Hab keine Angst, es ist alles vorbei.
Diese Person kann dir nichts mehr tun.»
«Lass mich los!», kreischte die Fremde und versuchte erneut, sich loszureißen.
«Du hast gesagt, dass du mich liebst, und jetzt hältst du zu dieser Schlampe!»
Erschüttert zog Carry sich tiefer in Robbys Umarmung zurück.
«So ein Quatsch», hörte sie Lawrence poltern. «Ich kenne Sie überhaupt
nicht!»
«Oh, du verdammter Heuchler!», tobte die Fremde los. «Und ob du mich
kennst. Heiraten wolltest du mich, ein Haus und Kinder mit mir haben!» Sie schrie
auf. «Ich hasse dich!»
In der Ferne erklang das An- und Abschwellen mehrerer Sirenen. Das nervige
Geräusch näherte sich rasch und im nächsten Moment herrschte unbeschreibli-
che Hektik auf dem Parkplatz. Sanitäter kamen mit einer fahrbaren Liege ange-
rannt, ein Arzt lief
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