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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman.
Autoren: Andrea Camilleri
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war ehrlich betroffen, denn Baldovino galt nach so vielen Jahren als einer von ihnen.
    »Das ist ja ein himmlisches Geschöpf«, dachte Frau Clelia voller Entzücken, als sie Oberleutnant Emiliano zum ersten Mal erblickte.
    Emiliano de Saint Vincent war hoch gewachsen, blond, sehr elegant, er unterhielt sich mit allen, grüßte freundlich, schlug die Hacken zusammen, küßte die Hand, verneigte sich – und das während des ganzen Empfangs, doch so, als sei er eigentlich nicht anwesend, sondern in unerreichbarer Ferne.
    »Und wann kriege ich den jemals zu fassen?« fragte sich Frau Clelia entmutigt.
     
    Oberleutnant Emiliano lehnte in der Tat höchst anständig das freundliche Angebot von Frau Clelia ab, die ihm die winzige Wohnung Tür an Tür mit ihrer Behausung vermitteln wollte, wo Nenè Impiduglia zuvor gewohnt hatte.
    »Ich ziehe es vor, mit den Soldaten in der Kaserne zu schlafen.«
    »Aber die Kaserne ist doch unbequem!«
    »Wir sind Männer der Waffe, verehrte Frau, und an Unbequemlichkeit gewöhnt.«
    Nicht nur, daß ihm das rauhe und karge Soldatenleben sehr lag, er hielt es auch noch für seine Pflicht, seine Untergebenen auf den Geschmack zu bringen. Das Militärlager war unter Amedeo Baldovino zu einer Art Dorf im Dorf geworden, mit allen Freiheiten eines echten Dorflebens: Wenn es draußen kalt war oder regnete, blies die Weckfanfare wesentlich später; am Abend kehrten die Soldaten in die Kaserne zurück, wann es ihnen paßte. Bei Emiliano di Saint Vincent jedoch herrschte wieder Zucht und Ordnung. In aller Frühe wurden militärische Übungen im Hof abgehalten, und auch von der Gottesstrafe der langen Märsche blieben die Soldaten nicht verschont. Die wenigen Male, da man den Oberleutnant im Ort sah, ließ er sich mit niemandem ein, blickte keinem einzigen Weibsbild hinterher und wollte sich auch nicht in den Zirkel einschreiben.
     
    »Bloodhound!«
    Die Stimme hinter seinem Rücken ließ Fofò La Matina zusammenzucken, der eben mit seinen Hunden den Palazzo verlassen wollte, um auf die Jagd zu gehen. Er drehte sich um und erblickte einen jungen, wunderschönen Mann in Uniform. Er begriff sofort, daß es sich um den neuen Befehlshaber handelte, den er bislang noch nicht gesehen hatte.
    »Ich bin Emiliano di Saint Vincent, der neue…«
    »Das habe ich verstanden. Ich heiße Fofò La Matina und bin der Apotheker.«
    »Gestatten Sie?« fragte der Oberleutnant, und ohne die Antwort abzuwarten, ging er in die Hocke. Sofort wedelten die beiden Hunde freudig um ihn herum. Der Offizier streichelte sie, sah ihnen ins Maul, kraulte sie noch ein bißchen und stand wieder auf. »Meinen Glückwunsch«, sagte er. »Das sind zwei herrliche Exemplare, sie sind sehr gut gehalten.«
    »Verstehen Sie etwas davon?«
    »Ich habe auch zwei von der Sorte bei mir zu Hause in Asti und zusätzlich zwei Foxhounds.«
    »Aber die taugen nur für die Fuchsjagd.«
    »Eben. Aber sie sind schnell wie der Wind. Und die Schnelligkeit eines Jagdhunds ist Gold wert.«
    Fofò La Matina wurde sich bewußt, daß er schon seit Monaten keine so lange Unterredung mehr mit einer Person geführt hatte. »Wollen Sie mit mir auf die Jagd kommen?«
    Noch nie hatte er jemanden gebeten, ihm Gesellschaft zu leisten.
    »Danke. Ich würde gern mitkommen. Aber ich habe keines meiner Gewehre bei mir.«
    »Ich kann Ihnen eines von den meinen leihen. Kommen Sie nur.«
    Er nahm ihn mit in das Zimmer im ersten Stock der Apotheke, das er in ein Waffenlager verwandelt hatte. Hier befanden sich sämtliche Gewehre aus dem Hause Peluso, dazu die vier hochmodernen, die er in Palermo gekauft hatte. Der große Tisch war übersät mit Schießpulverschachteln, kleinen Waagen, Dosierungsvorrichtungen, halbfertigen und bereits verschlossenen Patronen, Zündkapseln, Hülsenschließern, Meßlöffeln, Zündschnüren, Patronengürteln. Emiliano di Saint Vincent wurde es ganz weh ums Herz.
    »Bei mir zu Hause in Asti habe ich auch so ein Zimmer.«
    Und er begann, über Schießpulver und Gewehre zu philosophieren. Fofò trug seinen Teil dazu bei, und hin und wieder unterbrachen sie ihr Gespräch, blickten sich an und mußten lächeln.
     
     

8
     
     
    Es wurde zu einer festen Gewohnheit, zwei- oder dreimal in der Woche gemeinsam auf die Jagd zu gehen, wenn der Oberleutnant keine militärischen Verpflichtungen hatte. Emiliano di Saint Vincent war nach Palermo geeilt, um sich zwei Gewehre zu kaufen, da er die Großzügigkeit des Freundes nicht ausnutzen wollte und weil er
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