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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman.
Autoren: Andrea Camilleri
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Stammbaum der Marchesina reicht weit zurück, bis zu Friedrich dem Zweiten, ich aber bin gerade erst vom Baum gestiegen, wo ich die Früchte für meine Kundschaft gepflückt habe.«
    »Das zählt nicht.«
    »Was heißt, das zählt nicht? War nicht die einzige Bedingung, die Don Filippo und Don Totò stellten, daß der Bräutigam adlig sein muß?«
    »Und wie sollen die sich jetzt dagegen auflehnen? Sehen Sie nicht, daß Ntontò mutterseelenallein ist?«
    »Aber bei wem soll ich denn nur um ihre Hand anhalten?«
    »Bei ihr selbst. Und noch heute.«
    »Aber will mich die Marchesa denn überhaupt?«
    »Die will Sie, bei Christus am Kreuz, und wie die Sie will!«
    »Gehen wir nach oben, besprechen wir die Sache noch einmal in Ruhe.«
    Zwei geschlagene Stunden dauerte ihre Unterhaltung. Der Appetit, der Fofò vergangen war, war statt dessen dem Pfarrer gekommen. Er putzte die Platten leer und fegte jeden Einwand des Apothekers vom Tisch.
    »Aber wann soll diese Hochzeit denn stattfinden?« war der letzte Zweifel Fofòs.
    »Was heißt hier wann? In einem Monat.«
    »Und die Befreiung von der Trauerzeit?«
    »Aber die liegt doch vor. Der Bischof hat sich schon ein Vermögen unter den Nagel gerissen, als Impiduglia zur Diskussion stand.«
    Nichts zu machen. Sauber gekleidet und in Begleitung von Padre Macaluso präsentierte sich der Apotheker in der Abenddämmerung im Palazzo. Ntontò erwartete ihn im Salon. Stumm wies sie Fofò den Platz neben sich auf dem Sofa und dem Pfarrer den auf dem Sessel zu.
    Als hätten ihre Augen ihn gerufen, nahm der Apotheker langsam seinen Blick von dem Gemälde, das er angestrengt betrachtete, und drehte den Kopf. Endlich sahen sie einander in die Augen.
     
    Als Fofò und Ntontò von der Hochzeitsreise – zwei Wochen in Palermo im Hotel des Palmes – zurückkehrten, schienen sie zwei andere Menschen.
    Ntontò sah zehn Jahre jünger aus und war ein kleines Mädchen, das ständig lachte und jeden Sonntag ein anderes Kleid trug. Jahre der Tränen und der Trauer hatte sie hinter sich gelassen. Fofò La Matina auf der anderen Seite wurde von Tag zu Tag finsterer und unwirscher, manchmal grüßte er nicht einmal zurück. Er hockte den ganzen Tag in der Apotheke, und abends, vor der Rückkehr in den Palazzo, machte er einen langen, einsamen Spaziergang am Meeresufer und beobachtete die Krebse, die seitwärts gingen. Freunde hatte er bislang nicht gehabt, und so sollte es auch bleiben.
     
    »Die Packungen für die Augen, die Sie mir gegeben haben, haben mir gutgetan«, sagte Baron Uccello. »Können Sie mir noch mehr davon zubereiten?«
    »Gewiß«, erwiderte der Apotheker. Er ging ins Hinterzimmer und kehrte mit einem Glasgefäß mit schwarzem Pulver zurück.
    »Ich habe nur noch so wenig. Morgen ist Sonntag, da gehe ich zur Mantellina und sammle wieder.«
    »Sie gehen zur Mantellina?«
    »Ja, dort ist ein Steinacker, dicht bewachsen mit den Pflanzen, aus denen ich das Mittel zubereite.«
    »Nehmen Sie eine Doppelflinte mit.«
    »Warum das?«
    »Man hat mir erzählt, daß ein Bauer vor wenigen Tagen an der Mantellina von einem tollwütigen Hund gebissen wurde und an den Folgen gestorben ist.«
    Fofò befolgte den Rat des Barons. Er erreichte das öde, steinige Feld, auf dem nichts als der Honigklee, nach dem er suchte, und Hirsestauden gediehen, und spürte – vielleicht war es das Gewehr über der Schulter, das ihm das bewußt machte –, daß es in der Gegend vor Hasen und Kaninchen nur so wimmelte. Er schoß zwei Hasen und ein Kaninchen, steckte dann aber das Gewehr wieder weg, weil er nicht gewußt hätte, wohin mit noch mehr erbeuteten Tieren.
    Das wurde zum Beginn seiner Jagdmanie.
    Die Gewehre, die er im Palazzo entdeckte, sagten ihm nicht besonders zu, und so fuhr er nach Palermo und erstand vier herrliche Doppelflinten. Drei Monate später wurden ihm zwei englische Hunde geliefert, die Bloodhounds hießen und die die Witterung des Wilds aus meilenweiter Entfernung aufnehmen konnten. Von nun an ließ sich Fofò im Ort kaum mehr blicken, in der Apotheke bediente jetzt ein Verkäufer, über den man sich nicht beklagen konnte.
     
    Oberleutnant Amedeo Baldovino war zum Hauptmann befördert worden und mußte deshalb Vigàta verlassen: Als Befehlshaber der Garnison wurde Oberleutnant Emiliano di Saint Vincent gerufen, ein Piemonteser Adliger aus Asti. Im Zirkel wurde ein Fest zum Abschied für den Scheidenden und als Willkommensgruß für den Neuankömmling gegeben, man trank einander zu und
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