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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman.
Autoren: Andrea Camilleri
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wollen Sie?« fragte sie ihn von der Türschwelle aus.
    Fofò war überrascht. Ihm fiel auf, daß die Marchesina bleich war wie ein Leichentuch und gerötete Augen hatte. Unnatürlich steif stand sie da.
    »Kommen Sie herein, Marchesa. Setzen Sie sich bitte. Ich habe Ihnen etwas zu sagen.«
    »Was Sie mir zu sagen haben, weiß ich schon. Vor zwei Stunden habe ich es von Peppinella erfahren, die meinem Drängen nicht standhielt. Können Sie mir einen Gefallen tun?«
    »Zu Diensten.«
    »Einigen Sie sich mit Papìa und kümmern Sie sich um alles.«
     
     

7
     
     
    Sich um alles kümmern, das war für Fofò nicht einfach. Die erste Schwierigkeit rührte daher, daß Frau Harriet Protestantin war.
    »Aber wogegen protestierte sie eigentlich?« wunderte sich Padre Macaluso. »Sie hätte doch bloß auf einen Sprung in der Kirche vorbeikommen müssen, und alles hätte sich klären lassen.«
    Die zweite Schwierigkeit bestand darin, Petrus Nachnamen und Geburtsdatum ausfindig zu machen. Die Tatsache, daß Nettie ein Christenmensch war, stand außer Zweifel: Jeden Morgen, die Sonne war noch nicht ganz aus dem Meer aufgetaucht, riß sie die Balkontür sperrangelweit auf, stimmte Lobgesänge auf den Herrn im Himmel an, klatschte in die Hände und drehte und wendete sich dabei im Kreise. Das war ein einzigartiges Schauspiel. Fofò stellte das Haus mit den Säulen zum Verkauf frei und ordnete die Papiere und Dokumente Don Totòs und Gemahlin, um sie nach Amerika zu schicken. Er schrieb dem Sohn und der Tochter auch von dem Geld, das der Marchese in Vigàta und höchstwahrscheinlich in Palermo auf der Bank hatte. Fofò steckte nur ein Ding ein, und das war ein schwarzgebundenes Büchlein, in dem Don Totò die Tagesausgaben notierte. Die letzte Eintragung lautete: »Nenè Impiduglia gegeben«, und dann folgte eine große Zahl.
     
    Zehn Tage später begab sich der Kommissar zu Pferd nach Misilmeri, einem Ort in der Nähe von Palermo. Er hatte einen Brief von einem dortigen Kollegen erhalten und wollte sich höchstpersönlich von dem überzeugen, was darin geschrieben stand.
    Kaum war er wieder in Vigàta, bestellte er Baron Uccello, Padre Macaluso und Fofò La Matina in seine Amtsstube ein.
    »Nenè Impiduglia hat man gefunden. Er lag in einem Heuhaufen in der Nähe von Misilmeri, nackt und tot.«
    »Warum denn nackt?« fragte sogleich der Pfarrer.
    »Ich denke nicht, daß er sich eigenhändig ausgezogen hat«, erklärte der Kommissar. »Das werden die Leute gewesen sein, die dort vorbeikamen und ihm die Unterhosen geklaut haben, armes Pack eben.«
    »Warum aber tot?« stellte Baron Uccello eine treffendere Frage.
    »Das ist nicht zu erkennen. Er weist keine Wunden auf, bis auf zwei, drei Bisse von Hunden, die die Leiche fressen wollten.«
    »Ich glaube zu wissen, woran er gestorben ist«, ergriff Fofò La Matina das Wort. »Hat man bei ihm eine kleine Schachtel gefunden?«
    »Nichts dergleichen, nur ein zerrissenes Kuvert mit seinem Namen und der Adresse von hier. Deshalb haben die mir aus Misilmeri ja auch geschrieben. Und was war in der Schachtel?«
    »Insulin und Strychnin«, sagte der Apotheker.
    »Schweinegott!« meinte der Kommissar.
    »Die Pillen mit Strychnin habe ich ihm gegeben. Die brauchte er, zusammen mit dem Insulin, um seinen Diabetes zu behandeln. Sie wußten doch, daß er krank war?«
    »Nein«, antworteten der Kommissar und der Baron wie aus einem Mund.
    »Er ist in ein Koma diabeticum gefallen«, erklärte Fofò weiter. »Ihm muß unterwegs übel geworden sein. Vielleicht waren die Pillen aufgebraucht, und er hat sich nicht mehr helfen können.«
    »Aber selbstverständlich waren die Pillen aufgebraucht!« rief Baron Uccello aus. »Die hat er benötigt, um Don Totò und seine Familie zu vergiften!«
    »Ich glaube, nicht mit Strychnin, Herr Baron.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil man den Tod durch Strychnin deutlich erkennt. Die Gesichter und die Leiber der Vergifteten sind infolge der Krämpfe völlig entstellt. Im Hause Don Totòs aber waren alle in natürlicher Haltung. Nein, ich denke, dieser Hurenbock hat sie mit Belladonna vergiftet.«
    Bekanntlich kam dem Apotheker so gut wie nie ein Schimpfwort über die Lippen, und Nenè Impiduglia als Hurenbock zu bezeichnen paßte nicht zu ihm.
    »Verzeihen Sie«, sagte der Apotheker und zog ein kleines schwarzes Buch aus der Rocktasche, das er dem Kommissar reichte. »Lesen Sie die letzte Zeile. Dieser Unhold hat erst von Don Totò das Geld einkassiert und ihn dann
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