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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman.
Autoren: Andrea Camilleri
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Keinerlei Spuren von Gewaltanwendung waren zu entdecken, es schien eine ganz alltägliche Szene. Niemand hätte sich gewundert, wenn diese Personen, bei der Verrichtung höchst privater Angelegenheiten überrascht, jeden Moment aufstehen und von den Männern eine Rechtfertigung für ihr Eindringen fordern würden. Porterà hatte in seinem Leben schon viele Mordopfer gesehen, und manche von ihnen waren grauenvoll zugerichtet; aber genau das Fehlen jeglicher Spur von Gewaltanwendung – ganz sicher ein Trugschluß – versetzte ihm jetzt schwere Stiche in den Magen. Sein erster Gedanke war, daß es sich um ein Versehen der Negerin handeln müsse, man wußte ja, daß sie einen Tick hatte und die Spaghetti mit allem würzte, was ihr gerade in den Sinn kam. Mit einem Schlag fiel dem Kommissar ein, was man sich im Dorf über Don Totò und Nenè Impiduglia erzählte. Unterdessen wollten viele Leute, die mitgekriegt hatten, daß die Leichen wie Wachsfiguren aussahen, das Museum besuchen. Porterà bekam es mit der Angst zu tun und ließ durch einen Soldaten Oberleutnant Baldovino rufen. Und genau der Oberleutnant war es, der Impiduglia die Schlinge um den Hals zuzog.
    »Ich habe Impiduglia gestern abend in diesem Haus gesehen. Er stand in der Nähe des Küchenfensters und trank etwas.«
    Nenè hatte sich also auf irgendeine Weise Einlaß in die Küche verschaffen können, und so war es ein leichtes für ihn, das Gift in den Topf zu geben, in dem das Wasser für die Spaghetti kochte. Grund genug für diesen Racheakt hatte er, und alle wußten das.
    Porterà nahm zwei seiner Männer mit und ging zum Haus, in dem Nenè wohnte. Er klopfte an, aber statt seiner Tür ging die von Frau Clelia auf.
    »Was ist denn? Was wollt ihr? Herr Impiduglia ist heute in aller Frühe abgereist. Nach Palermo. Er hat mir gesagt, daß er sein Studium wiederaufnehmen will.«
    »Brecht die Tür auf«, befahl Porterà.
    »Um Himmels willen, das ist nicht notwendig!« fuhr Frau Clelia dazwischen. »Er hat mir den Wohnungsschlüssel dagelassen, damit ich ihn dem Hausbesitzer zurückgebe, auch das Mietgeld hat er bei mir hinterlegt.«
    Der letzte Satz brachte den Kommissar etwas aus dem Konzept: Wie sollte das zusammenpassen, einer, der gerade vier Leuten den Garaus gemacht hat, hinterlegt den Schlüssel und bezahlt die Miete, bevor er sein Heil in der Flucht sucht? Dieser Zweifel verflüchtigte sich rasch, als er die Riesenunordnung in der Bude sah, wo alles kreuz und quer lag – für ihn eindeutiges Zeichen für einen überstürzten Aufbruch.
    Hätte er jedoch Frau Clelia befragt, hätte er erfahren, daß es sich um das alltägliche Chaos in Nenè Impiduglias Bude handelte.
     
    Mimì setzte sein bewährtes Halunkengesicht auf und machte seiner Herrin weis, daß Don Totò wegen einer wichtigen Angelegenheit in die Hauptstadt habe fahren müssen; er würde am nächsten Tag zum Mittagessen kommen. Als er Ntontò mit dieser Flunkerei wieder beruhigt hatte, ging er zum Apotheker und erzählte ihm von dem Unglücksfall, doch Fofò wußte längst Bescheid; Mimì bat ihn, seiner Padrona alles zu erzählen, ihm fehle die Courage.
    Fofò erklärte sich bereit und trug Mimì auf, einstweilen dem Fräulein seinen Besuch am Abend anzukündigen.
     
    »Und Sie wissen nicht, auf welches der drei Angebote von Don Totò Impiduglia bereit war einzugehen?« fragte Porterà.
    »Nein, das weiß ich nicht«, behauptete Padre Macaluso. »Ich habe ihm nur ausgerichtet, was mir der Marchese aufgetragen hatte.«
    »Was gibt’s da noch zu grübeln«, fuhr Baron Uccello dazwischen. »Er hat sie umgebracht und alles haarscharf kalkuliert. Vielleicht hätte er einen der drei Vorschläge tatsächlich akzeptiert – meines Erachtens den dritten, nach dem er das Geld nehmen und sich verziehen sollte –, aber der Haß hat ihn umgestimmt.«
    »Sobald wir ihn geschnappt haben, werden wir es wissen«, sagte der Kommissar abschließend.
    »So schnell werdet ihr den nicht finden«, meinte der Baron skeptisch.
    »Und warum nicht?«
    »Weil ich nie geglaubt habe, daß einer wie Nenè zum Mörder werden könnte. Wenn er es tatsächlich getan hat, bedeutet das, daß er den Kopf verloren hat. Und einer, der nicht mehr klar im Kopf ist, der handelt, wer weiß, wie. Während Sie, verehrter Kommissar, doch wissen, was vernünftig ist. Mit einem Wort, nur schwerlich werden diese beiden Straßen sich kreuzen.«
     
    Ntontò öffnete die Tür zum kleinen Salon, wo Fofò La Matina wartete.
    »Was
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