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Flug des Adlers

Titel: Flug des Adlers
Autoren: E. E. Knight
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    W eathercut Manse, Iowa, im November des zweiundfünfzigsten Jahres der kurischen Herrschaft: Ein Einwohner aus dem ersten Viertel des einundzwanzigsten Jahrhunderts hätte seinen Staat in dem schneebestäubten Herbst dieses Jahres kaum wiedererkannt. Den Mais und die Sojabohnen, ja, die Birken und Weiden, die den sumpfigen Boden am Rand der Bäche und Seen beanspruchen, und auch die majestätischen Eichen, Ulmen und Pappeln, die Hänge und Kuppen der sanften Hügel, die die Flussgebiete umgeben, gewiss.
    Die Fleischrinder auf den Weiden liefern jedoch einen klaren Hinweis darauf, dass sich etwas verändert hat. Verglichen mit den Rindern aus besseren Zeiten sind sie zu klein geraten. Ein paar husten; andere sehen gequält aus, als hätten sie ein Stück Draht oder eine halbe Blechbüchse verschluckt.
    Am meisten aber hat sich die Bebauung verändert, die Straßen und Brücken und die kleinen Städte, die sich über das Land verteilen. Ein weit gereister oder fantasiebegabter Bürger Iowas hätte glauben
können, er hätte sich in irgendeine stille, ländliche Gegend Frankreichs oder Englands verirrt.
    Nicht mehr Städte, umgeben von Farmen mit Holzhäusern, Scheunen und Silos oder von Speckgürteln mit Wal-Mart-Bauten, weitläufigen Parkplätzen und Fastfoodtempeln, sondern die Großen Häuser bilden heute die Zentren des öffentlichen Lebens.
    Wie französische und englische Herrenhäuser aus alter Zeit sind auch die Großen Häuser der kurischen Herrschaft erbaut worden, um Eindruck zu schinden. Einige erinnern vage an die alpenländische Architektur, haben hohe Spitzdächer und kunstvolle Holzverzierungen an den Dachüberständen und zwei oder drei voll verglaste Stockwerke, deren Gleichförmigkeit nur durch Balkone unterbrochen wird; andere ahmen die schweren Pfeiler und den Putz des würdigen Tudorstils nach; ein paar scheinen Stein für Stein den Kulissen eines Jane-Austen-Films nachempfunden zu sein. Am beliebtesten aber ist ein Stil, den man als französisch-modern bezeichnen könnte.
    Weathercut Manse ist ein Beispiel dafür. Eine große, kühne Front aus Kalkstein und Panoramafenstern kennzeichnet das Gebäude. Ein mächtiges Schieferdach bietet Schutz vor Wind und Wetter. Auf der rechten Seite befindet sich eine stallartige Garage, von der aus der Blick hinaus auf die bogenförmige Einfahrt führt, auf der linken erhebt sich ein Turm, der wie die Miniaturausgabe eines Burgturms aussieht. Dieses unausgewogene Arrangement ist bei Tageslicht, wenn die Sonne auf das Blumenbeet im Zentrum der kreisförmigen Zufahrt fällt und das Haus Besucher mit offenen Armen und einem Strauß Blumen zu empfangen scheint, durchaus anheimelnd. In den Nächten jedoch erinnern die beiden Seiten der Auffahrt an die Arme eines in die Defensive gedrängten Boxers.
    Auf der Rückseite führt eine Glastür zu einem Patio, flankiert von einem verglasten Refugium in Form eines hauseigenen Wellnessbereichs. Ein Balkon vor dem Herrenschlafzimmer ragt auf den Innenhof hinaus. Außerdem gibt es ein Gewächshaus, das zugleich als Voliere dient und in der Umgebung für seine Zitronen und die ganzjährige Eiertomatenernte berühmt ist.

    Gärten, naturbelassene Wälder und ein Neun-Loch-Golfplatz umgeben das Haus. Erst wenn man die dichte Hecke im Osten passiert hat oder die drei weißen Zaunreihen im Westen oder die Steinmauer mit dem Eisentor, die an der Straße im Süden entlangführt, gelangt man zum bewirtschafteten Teil des Anwesens: eine Pferdefarm von knapp fünfundzwanzig Hektar Größe. Auf dem Gelände finden sich zudem Gebäude, in denen Schweine und Hühner gehalten werden, und ein Pfarrhaus der New Universal Church. Ein dichtes Gehölz trennt den kurischen Kirchendiener von dem kleinen Platz mit den Wohnwagen, der Werkstatt und der Zapfsäule.
    Die Villa ist das freundliche Antlitz des Anwesens, das Pfarrhaus sein Gewissen, Scheunen und Wohnquartiere liefern die Arbeitskraft. Aber neben dem Tor in der ehrwürdigen Mauer stehen eine Garage und ein kleines, aus Stein gemauertes Haus. Diese Gebäude beherbergen das Echsenhirn des Anwesens, seine Sicherheitszentrale. Die Arbeiter melden sich hier Tag für Tag und erhalten eine Uhr mit einem Funksender, die an einer Gürtellasche befestigt werden kann; wer immer das Gelände betritt oder verlässt, muss die Sicherheitsschleuse passieren, ein geplasterter Hof, doppelt so groß wie ein Basketballfeld, von einem Maschendrahtzaun umgeben und mit Natriumdampflampen beleuchtet, auf dem
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