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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman.
Autoren: Andrea Camilleri
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versuchte, sich aufzurichten, aber seine Beine waren weich wie Pudding, und er fiel mehrmals wieder nach hinten, wie eine Marionette ohne Fäden. Seine Verzweiflung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Sie wissen ja, daß ich jetzt meine Pflicht tun muß?«
    »Tun Sie das ruhig. Sie werden als Freund handeln, so wie ich mich Ihnen gezeigt habe, als ich Ihnen die reine Wahrheit erzählt habe.«
    Da der andere nicht auf die Beine kam, reichte er ihm hilfreich die Hand.
     
    Im Verhör antwortete er: »Den Namen Santo Alfonso de’ Liguori habe ich zu meiner eigenen Sicherheit gewählt. Bei meiner Rückkehr nach Vigàta nach rund zwanzig Jahren konnte ich ja nicht wissen, ob noch welche von den Leuten im Ort am Leben waren, die meinen Vater niedergemacht hatten und auch mir nach dem Leben trachteten. Dann erklärte mir Bastiano Taormina, daß die Mörder Mönche von auswärts gewesen seien, die glaubten, mein Vater hätte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Der Patenonkel, bei dem ich in Palermo lebte, war ein Anhänger von Santo Alfonso de’ Liguori.
    Nein. Ich bin mit dem einzigen Wunsch nach Vigàta zurückgekehrt, Ntontò wiederzusehen, ich wollte wissen, was aus ihr geworden war und wie sie sich entwickelt hatte. Ich trug mich nicht mit der Absicht, jemandem etwas Böses anzutun. Und ich wußte nur zu gut, daß ich keine Chance hatte, mit ihr vor den Altar zu treten. Die Familie Peluso hätte sie nie und nimmer dem Sohn eines Bauern zur Frau gegeben. Auf der Überfahrt auf dem »Franceschiello« kam mir die Idee, alle Mitglieder der Familie aus dem Weg zu schaffen, aber ich spürte, daß ich dessen nicht fähig wäre.
    Ich habe den alten Marchese nie bedroht. Er kam von selbst darauf – ich habe keine Ahnung, wie –, daß ich mich mit diesem wenn auch unausgegorenen Gedanken trug. Es war nur eine Frage der Zeit. Er stürzte sich in die Meeresfluten, um nicht von meiner Hand getötet zu werden. Genau dieser Umstand war es, der mich in meiner Absicht bestärkte, daß es, wenn alle Pelusos vom Erdboden verschwänden, keinen mehr gäbe, der sich dieser Heirat widersetzen könnte.
    Ich wurde an Federico Pelusos Krankenlager gerufen, als er schon im Sterben lag. Ich erkannte sofort, daß die Verletzung an der rechten Hand kein Dornenkratzer, sondern das typische Dreieck eines Vipernbisses war. Ich ließ zu, daß Doktor Smecca das Mittel gegen Pilzvergiftung und nicht das gegen Viperngift verabreichte. Das war alles.
    Donna Matilde wäre sowieso gestorben, sie weigerte sich, weiter zu leben. Die Pülverchen, die ich für sie in Wasser auflöste, waren mit Baldrian durchsetzt und bewirkten eine Hemmung des Appetits. Doch bezweifle ich, daß der auch ohne jenes Mittel jemals bei ihr wiedergekehrt wäre.
    Den Marchese habe ich auf dem Gewissen; in die Schachtel mit den von mir zubereiteten Pillen gegen Sodbrennen habe ich eine mit Belladonna gelegt. Aber ich habe ihm Zeit gelassen, glücklich zu sein und einen Sohn zu bekommen, wie er es wollte. Ich habe ihn nicht schon früher über die Klinge springen lassen, denn er war mir sympathisch, auch wenn er die Meinung vertrat, daß der Gemahl seiner Tochter adliger Herkunft sein müsse.
    Die Negerin kam in die Apotheke und verlangte die abstrusesten Sachen. Eines Tages habe ich ihr Gift verkauft und gesagt, das sei ein besonderes Gewürz für Spaghetti. Und so haben alle dran glauben müssen.
    Nein, die Pillen mit Strychnin, die ich für Impiduglia zubereitet hatte, waren die richtigen. Aus welchem Grund hätte ich ihn umbringen sollen? Bestenfalls hätte man ihn des vierfachen Mords angeklagt, und er hätte den Rest seines Lebens im Kerker verbracht. Und Ntontò hätte ihn sich aus dem Kopf schlagen müssen. Nein, ich denke, er ist in ein Koma diabeticum gefallen und daran gestorben.
    Der Grund, weshalb ich all das, was ich getan habe, jetzt erzähle, interessiert keinen. Auf alle Fälle hat die Marchesa, meine Frau, nie etwas davon erfahren.«
     
    »Wie zum Geier können Sie behaupten, daß Ntontò nichts davon wußte?« schimpfte Padre Macaluso. »Als alle Pelusos mausetot waren, ist sie doch nur zur Beichte gekommen, um mich zu überzeugen, daß ihre Seele ohne den Apotheker verloren sei. Sie hat mich verarscht, sie hat das Beichtgeheimnis verletzt. Der Augenblick war gekommen. Aber der richtige Zeitpunkt und das Wie ihres Handelns mußten zwangsläufig auf ihrer beider Mist gewachsen sein.«
    »Und was machen Sie jetzt, Euer Ehren, gehen Sie zum Kommissar,
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