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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg
Autoren: Ken Bruen
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immer wieder gefragt, ob ich die Flammen sehe. Ich habe sie für sie gelöscht.«
    Ich dachte an die Glock, die behaglich und nutzlos in meiner obersten Schreibtischschublade lag.
    Er sagte: »Also, Jack, was meinen Sie? Ist doch eher unwichtig, oder? Sie können weggehen, wir vergessen, dass wir dies Gespräch je geführt haben.«
    Er bekuckte mich abschätzig, er nahm mich buchstäblich Maß, und, hélas, ich wusste, was er sah: einen abgetakelten Mann mittleren Alters mit einem Hinkebein und einem Hörgerät. Wenn ich sagte, ich fände das Gespräch gar nicht unwichtig, wie schwer würde es für ihn sein, mit mir … fertig zuwerden? Er war stark, jung und hatte nichts zu verlieren. Er hatte seine eigene Schwester ersäuft, einen jungen Mann gekreuzigt, ein wehrloses Mädchen in ihrem Auto verbrannt. Würde er sich meinetwegen Sorgen machen?
    Ich sagte: »Falls – und ich sage: falls – ich weggehe, was sind Ihre Pläne?«
    Er war überrascht, und zu meinem Entsetzen erkannte ich den Ausdruck in seinen Augen. Es war der gleiche wie bei Gail, und einen unheimlichen Moment lang fragte ich mich, ob das Böse auf solche Weise übertragen werden konnte. Er kam richtig nah an mich ran. Bildete ich mir das ein, oder waren seine Schultern breiter als zuvor? Was war aus diesem harmlosen Kurt-Cobain-artigen Bürschlein geworden, das ich im Coffeeshop kennengelernt hatte?
    Ein halbes Lächeln kringelte sich auf seinen Lippen, und er sagte: »Hmmm, gute Frage, Jack-o. Wissen Sie, ich glaube, mir gefällt es hier, aber was mir nicht gefallen würde, ist der Gedanke, dass Sie herumlatschen und plötzlich einen Anfall von – wie nennt ihr Katholiken das? – Gewissen haben.«
    Und er schlug mit seiner rechten Faust zu, dass ich glatt auf den Rücken fiel. Er ging um mich herum und stand nun bei meinem Kopf. Ich bemerkte, dass er Doc Martens trug, schön abgewetzte, und ich hoffte beim hl. Scheißdreck, dass es nicht die Sorte mit den Stahlkappen war. Mein Kiefer tat weh wie sonst was, und ich kapierte, dass er mich umbringen würde, es damit aber nicht sehr eilig hatte. Er hatte das größte, potenteste Aphrodisiakum auf dem Planeten entdeckt – Macht. Ich versuchte, mich etwas zu entfernen, und er trat mir gegen den Hinterkopf.
    Heftig.
    Ich sah Sterne. Nicht die Pailletten-Sorte, sondern die Sorte, die einem sagt, dass man ganz tief in der Scheiße ist, ohne Aussicht auf Besserung.
    Er fragte, als wäre ihm das wirklich wichtig: »Hat das wehgetan, Jack?«
    Dann zwei weitere flinke Tritte in Hüfte und Brustkorb, und ich spürte, wie etwas nachgab – eine Rippe vielleicht. Das Atmen wurde eng.
    Er sagte, immer noch in diesem angenehmen Plauderton: »Ich habe mich oft gefragt, wie es ist, wenn man einen zu Tode tritt. Ich war mein ganzes Leben lang der, der getreten wurde, und wissen Sie was? Wissen Sie was, Jack-o? Es ist irgendwie flummig, wie die Amerikaner vielleicht sagen würden.«
    Und das elektrisierte mich. Amerika … mein neues Leben, Wellewulsts Testergebnisse, nicht für sie da sein, alles wegen dieses … Bubis?
    Ich stöhnte: »Sean, eins noch.«
    Er zögerte, und ich hielt meine Stimme leise, damit er sich vorbeugen musste. Er konnte mich immer noch nicht verstehen und bückte sich richtig tief herunter. Sein Gesicht war vor meinem, ich konnte seinen Knoblauchatem riechen. Ich grub meine Zähne in seine Nase, biss mit aller Wildheit zu, die ich je gekannt habe, und ich schwöre bei Christus, ich biss sauber durch.
    Er taumelte zurück, Blut pumpte ihm das Gesicht herunter, sagte: »Waffum Peufel ham Wie ba gemachp? Wie hamem mich gebiffem!«
    Es gelang mir, auf ein Knie hochzukommen, sah ein Stück Treibholz, hoffte, dass es durch das Wasser nicht weich geworden war.
    War es nicht.
    Und ich haute es ihm über den Schädel, sagte: »Nennen Sie mich nicht Jack-o.«
    Noch ein paar Schläge aus reiner, unverfälschter Wut, und sein Gesicht und Kopf waren Brei.
    Ich maulte: »Wir wollen Sie nicht in unserer Stadt, wir haben so schon genug Müll. Wie sollen wir denn wohl den Schöner-uns’re-Städte-und-Gemeinden-Wettbewerb gewinnen?«
    Hatte ich den Verstand verloren? Ich kann es nur hoffen.
    Ich sammelte Steine, viele sehr schwere Steine, stopfte sie ihm in die Taschen seines neuen schicken Mantels und zerrte ihn zum Wasser. Dann, zu meinem Grausen, stöhnte er, und ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber es klang wie: »Bitte, Dad, nicht.«
    Es dauerte etwas, aber irgendwann hörte er auf zu kämpfen. Ich
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