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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg
Autoren: Ken Bruen
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D ie Kreuzigung des Jungen zog sich hin. Nicht dass er ihnen irgendwelche Schwierigkeiten machte – nein, er war fast hilfsbereit gewesen. Das Problem bestand darin, die Nägel in seine Handflächen zu kriegen; sie stießen immer wieder auf Knochen.
    Unterdessen murmelte der Junge etwas.
    Der jüngere Junge sagte: »Winselt nach seiner Mami.«
    Das Mädchen beugte sich näher heran und sagte mit einem Ton der Überraschung: »Er betet.«
    Was hatte sie erwartet – ein Lied, drei, vier?
    Der Vater hob den Hammer, sagte: »Bald wird es hell.«
    Wohl wahr, die ersten Strahlen der Dämmerung schnitten über den kleinen Hügel, beklecksten die Gestalt am Kreuz mit Licht, fast fürsorglich sah das aus.
    »Warum bist du nicht verdammtnochmal tot?«
    Was erwidert man da? Versuchte zu sagen: »Hab mein Bestes versucht, Tatsache, ich wollte sterben. Hatte gar nicht den Plan gehabt zu überleben, ehrlich.«
    Malachy war mein alter Erzfeind, meine Nemesis, und wie sich das seit alters her für irische Widersacher gehört, hatte ich ihm sogar einmal den Arsch gerettet.
    Er war der stärkste Raucher, den ich je kennengelernt hatte, und ich kannte weiß Gott genug von der Sorte. Gerade zündete er sich eine an der anderen an, knurrte: »Die haben den falschen Scheißkerl erschossen.«
    Nicht schlecht aus dem Munde eines Paters, stimmt’s? Aber Malachy hatte nie eine mir bekannte Kirchenregel befolgt. Er bezog sich auf Cody, einen Jungen, den ich als meinen Ersatzsohn ansah und der die Kugeln abgekriegt hatte, die mir zugedacht gewesen waren. Er lag immer noch im Koma, und seine Überlebenschancen schwankten zwischen mau und miserabel.
    Das Geschieße war nicht gerade gut für mein Gehumpel gewesen, welches daher rührte, dass ich mit einem Hurlingschläger zusammengeschlagen worden war. So hinkte ich denn am Kanal entlang, sah die Enten, sie erfreuten mich aber nicht mehr so wie früher. Die Natur brachte es einfach nicht mehr. Hörte, wie mein Name gerufen wurde, und da war Pater Malachy, der Schierling meines Lebens. Als ich ihm helfend zur Seite springen wollte, war er dankbar? Einen Kack war er. Er hatte eine so ausgeprägte Suchtstruktur, wie ich sie noch nie erlebt habe, Nikotin, Kuchen, Tee oder einfach Aggressivität, und Suchtstrukturen sind mein Forte. Mein Forte – das wollte ich immer schon mal sagen – klingt belesen, aber nicht angeberisch. In Wahrheit war der Suff mein Forte. Malachy sah verdrießlich, schäbig und priesterlich aus. Das heißt: verstohlen, verdruckst, heimlichtuerisch.
    Er hatte mich mit dieser Bemerkung, warum ich nicht verdammtnochmal tot sei, begrüßt und schien ausgesprochen ärgerlich. Er trug Klerikerklamotten: schwarzen Anzug, speckig getragen, missgestaltete Hose und Schuhe, die aussahen, als hätten sie zehn Jahre lang gut zu tun gehabt. Mit Schuppen bestreut seine Schultern wie mit erstem zaghaftem Schnee.
    Ich sagte: »Die Wiedersehensfreude ist ganz meinerseits.« Verstärkte meine Worte mit einem Splitterchen Granit und ließ ihn nicht aus den Augen. Er schnickste die Kippe ins Wasser, schreckte die Enten auf.
    Ich fügte hinzu: »Immer noch so umweltbewusst wie ehedem?«
    Seine Lippe kräuselte sich vor Widerwillen, er schnappte: »Ist das Sarkasmus? Komm mir bloß nicht damit, Burschi.«
    Der Sommer war fast vorüber. Man spürte bereits eine Andeutung vom Biss, den der Winter in Galway hatte; bald würden die Abende früher dunkel werden, und mir, aber das wusste ich noch nicht, stand eine Dunkelheit von ganz anderer Färbung bevor. Alles, was ich hörte, waren die Geräusche vom College, nur, um im Bild zu bleiben, ein Kolloquium weit entfernt. Galway ist eine dieser Städte, in denen die Brise Geräusche überträgt wie das leiseste Geflüster von Gebeten, die man nie gesprochen hat – gedämpft, aber präsent.
    Ich wandte Malachy erneut meine Aufmerksamkeit zu. Die üblichen Feindseligkeiten, normaler Betrieb.
    Bevor ich etwas erwidern konnte, sagte er: »Ich habe dem Jungen die letzten Riten verpasst, hast du das gewusst? Letzte Ölung, alles. Die meinen, er macht es nicht mehr lange.«
    Ich nehme an, dass Dankbarkeit erwartet wurde, sagte aber: »Ist das nicht, äh, sagen wir mal, Ihr Job, dass Sie den Siechen beistehen, den Sterbenden Trost gewähren, so Zeugs?«
    Er musterte mich von oben bis unten, als hätte ich ihn irgendwie ausgetrickst, sagte: »Du siehst aus wie aufgewärmter Tod.«
    Ich wandte mich zum Gehen, ballerte: »Sehr hilfreich.«
    Indem er nach einer
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