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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg
Autoren: Ken Bruen
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Mitten in der Kneipe steht ein Baum, beruhigt mich immer, dass sich das Land einen Sinn fürs Absurde bewahrt hat.
    Die Kneipe ist am Wood Quay, in weniger als Spuckweite vom Hidden Valley, wo ich einmal kurz ein Zuhause hatte, den Landfahrern oder Kesselflickern oder tinkers sei Dank. Am Wood Quay wird noch richtig gewohnt. Die Leute leben seit Generationen dort und haben es geschafft, trotz wild wuchernder Stadtentwicklung ihre Häuser zu behalten. Man steht unten auf der Eyre Street und kann das ganze Gebiet überblicken, den Park, der noch immer grün ist, noch immer unberührt, wo die Kinder Hurling spielen und, okay, auch mit Frisbees, aber Hurling geht vor, noch, und gleich dahinter ist der Lough Corrib. Es gibt ein Gemeinschaftsgefühl und ein jährliches Straßenfest. Alle sind unbändig stolz darauf, dass es ihnen gelungen ist, in einer Stadt der rapiden und rücksichtslosen Veränderungen intakt geblieben zu sein.
    McSwiggan’s steht genau da, wo diese Wohngegend anfängt. Als Kneipe eher neu, ist es doch ein Echo des alten Galway. Der Baum wächst hinten im Ausschankbereich, und, ja, sie haben die Kneipe um ihn herum gebaut. Das nenne ich korrekt gesetzte Prioritäten. Und, was noch rarer ist, das Personal besteht aus lauter Iren. Derlei mutet immer seltsamer an.
    Es war kurz nach zwölf, und der Tresentyp machte Kneipenkram, polierte wie besessen Gläser, beschickte Regale, dabei aber immer froh und munter.
    »Wie geht’s denn so?«
    Ich gab an, mich recht wohl zu befinden, bestellte eine pint und einen kleinen Jameson.
    »Mit Eis dabei?«
    Ich sah ihn so an. Scherzte er? Er sagte: »Einmal ohne Eis.«
    Die Kneipe roch merkwürdig, und er bemerkte, dass ich das bemerkte, sagte: »Das Nikotin fehlt.«
    Heiland, er hatte recht.
    Dann setzte er hinzu: »Unsere Turmspringerin hat eine Goldmedaille gekriegt.«
    Ich war entzückt. Ich hatte keinen Schimmer, worauf es dabei ankam, aber einmal Gold, da wäre das Land wieder einen Monat lang hackenstramm.
    Er ließ meiner pint Zeit, sich zu setzen, bevor er die Blume oben absahnte – wusste, wie’s ging –, und stellte den Jameson auf den Tresen. »Ich habe eine Karte für das Madonna-Konzert.«
    Fast wie das alte Irland, erzählten einem ungefragt ihren Scheiß. Ich nahm eine Nase voll von dem Jameson, und schon war ich gesellig.
    »Sind wohl ein Fan, wie?«
    Nicht die hellste Frage, wenn man bedachte, dass er eine Karte hatte, aber Logik rangiert bei solchen Gedankenaustäuschen glücklicherweise ziemlich weit unten. Er war entsetzt.
    »Spinnen Sie jetzt total? Ich hasse die Kuh.«
    Es gelang mir, das Getränk stehen zu lassen, es nicht zu trinken. Da denkt man doch: »Wie dement ist das denn, Schnaps bestellen und ihn dann nicht trinken?«
    Ich weiß sehr wohl, wie verrückt es war. Hielt mich aber nüchtern, wenn schon nicht bei geistiger Gesundheit.
    Ich dachte an Cody, wie er im Koma lag, und auch an Kate Clare, die Frau, die den Priester umgebracht hatte und jetzt meine Hauptverdächtige war, was den Schuss auf Cody anging. Ich wusste, dass ich mehr Energie aufbringen sollte, um sie zu finden oder wen auch immer, der geschossen hatte, aber ich kam nicht über Cody und seinen Zustand hinweg. Er war der Ersatzsohn gewesen, den zu haben ich mir nie erträumt hatte, und dann, als wir uns gerade zusammengerauft hatten, als ich tatsächlich anfing, ihn als Familie zu sehen, war er mir weggeschnappt worden.
    Ein rachsüchtiger Gott?
    Er hatte mich wirklich ganz schön auf dem Kieker. Immer wenn es mir zu gelingen schien, mich von den Knien zu erheben, wischte Er mit mir den Scheißfußboden. Glaubte ich an Ihn? Aber hallo, und es war echt was Persönliches. Morgens maulte ich: »Behandel mich, so schlecht Du kannst, und dann sehen wir mal, wie ich damit zurechtkomme.« Ein hohler Spott angesichts des Chaos, gespielte Tapferkeit statt Glaubensstärke. Ich schüttelte den Kopf, um Gott und Seine Gehässigkeit daraus zu vertreiben, stand auf, fand, es war Zeit für einen Abgang.
    Dabei sagte ich zum Tresentyp, derweil meine unberührten Getränke herumstanden wie ratlose alte Bekannte: »Hoffentlich klappt das Konzert gut.«
    Er pausierte, mitten im Gläserwienern, glotzte mich an, sagte: »Ich bete um Regen.«
    Darum braucht man in Irland nicht allzu inbrünstig zu beten.

4
    »Ein Gekreuzigter ohne Kreuz.«
    Der hl. Padre Pio,
wie er von den Gläubigen beschrieben wird

A ls ich Cody anfangs im Krankenhaus besuchte, wurde ich eines Nachmittags von einem Mann
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