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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg
Autoren: Ken Bruen
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abgefangen. Er hatte diesen frommen Gesichtsausdruck, den Priester und Weltverbesserer so lieben.
    Er sagte: »Geht es uns besser?«
    Ich war kein sehr guter Im-Krankenhaus-Besucher, nicht einer von diesen putzmunteren Stoikern, die einem den Tag bereichern, wenn man sie trifft. Ich war schlecht gelaunt, verletzt und schmachtete nach was zu trinken. Ich starrte ihn an. »Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist, Kumpel, und es ist mir, offen gestanden, auch wurscht, aber es geht mir echt beschissen.«
    Er nickte, mit Aggressionen kam er klar, sah sogar aus, als erwartete er sie. Er sollte nicht enttäuscht werden. Er beugte sich näher heran, sagte: »Zorn ist gut. Lassen Sie diese bösen Schwingungen heraus. Halten Sie sie nicht zurück.«
    Wir waren auf dem Flur vor Codys Zimmer, und ich wappnete mich wie üblich vor dem Eintreten, weshalb die Ablenkung nicht unwillkommen war. Ich begann wegzugehen, froh über die Gnadenfrist, und er folgte mir, womit ich gerechnet hatte.
    Wir erreichten die sogenannte lange Station, Großraumkrankenzimmer, wenn man so will. Bettenreihe an Bettenreihe, kein Privatleben. Die Art Betten hatte ich mehr als genug belegt.
    »Wo haben Sie diesen Kack gelernt? Ich meine, zu Hause, wenn Sie vor der Glotze sitzen, sprechen Sie da ernsthaft auch so? Heiland, ich meine, aber wirklich.«
    Noch mehr Lächeln. Er hatte offenbar die ganze Zeit von mir geträumt.
    Ich fragte: »Und wer zum Teufel sind Sie, außer jemand, der bei mir monumentales Arschweh verursacht?«
    Er machte mit den Augen etwas, was Mitgefühl übermitteln sollte, eine Art – wie heißt das tolle Wort? – jawoll, Empathie. Dadurch bekam er so was Verschlagenes. Würden Sie diesem Typ einen Gebrauchtwagen abkaufen?
    Ich nicht.
    Jetzt kochte er, sagte: »Sehen Sie mich als einen Freund, der sich keinerlei Urteil anmaßt.«
    Als gäbe es das.
    Ich sagte: »Wenn Sie mein Freund sein wollen, könnten Sie mir einen Gefallen tun. Wie wäre das, als Zeichen unserer innigen Verbundenheit?«
    Das frohsinnige Gesicht leicht bewölkt, fragte er: »Örm, okay, und zwar?«
    »Hüpfen Sie über die Straße ins Riverside Inn, holen Sie mir eine Flasche Jameson.«
    Er seufzte, beugte sich wieder zurück, als wäre dies haargenau das gewesen, war er zu hören gewohnt war, atmete lang aus. »Ah, hier haben wir die Krux des Ganzen.«
    Krux.
    Gibt es beim Training dieser Burschen eine Klasse, sagen wir, Tag drei, an dem man ihnen eine Broschüre gibt, in der alle Wörter stehen, die sie verwenden können und sonst niemand, die sie einfach so ins Gespräch werfen können, und dann geht es ein wie ein Primelpott?
    Ich war am Ende der langen Station stehen geblieben. Das allerletzte Bett war leer, und das bedeutete nur eines: Der Patient war gestorben. Sie reservieren dieses Bett bei der Tür denen, die es nicht schaffen werden, damit sie sie im Nu wegschaffen können, ohne die anderen Patienten zu stören. Ich starrte dieses leere Bett an, jede Menge Bammel im Gedärm.
    Als ich nicht reagierte, schob er nach: »Der Alkohol scheint eine größere Rolle gespielt zu haben bei Ihrem …«
    Das nächste Wort wählte er so sorgfältig wie eine alte Jungfer angesichts einer Schachtel mit ihren Lieblingspralinen. Sturz, Fall, Untergang – hätte er alles sagen können, entschied sich dann aber für das weniger gefährliche »… Problem.«
    Ich fragte: »Wollen Sie was über mein Leben hören, als ich trocken war, als ich nicht trank, wollen Sie hören, was für ein Erfolg das war?«
    Er verlagerte sein Gewicht, argwöhnte, dass dies nicht angenehm werden würde.
    »Wenn Sie mich daran teilhaben lassen wollen.«
    Ich baute mich ganz nah vor seinem Gesicht auf. Er wäre zurückgewichen, nur stand da schon das Totenbett.
    Ich sagte: »Ja, ich war nüchtern, hatte monatelang nichts getrunken, und nun raten Sie mal? Ich habe ein kleines Mädchen zu Tode gebracht. Drei Jahre alt, das schönste Kind, das man je gesehen hat, eine gottverdammte abgöttisch geliebte kleine Zuckerschnute, und dann ich, trinke nicht, passe auf sie auf, und sie fällt aus dem Fenster im ersten Stock. Und ihre Eltern, meine besten Freunde, was meinen Sie, wie die das fanden, dass ich damals nüchtern war?«
    Er hatte keine passende Plattitüde parat, aber er versuchte es: »Das Leben ist kein Ponyhof, und manchmal passieren schreckliche Dinge. Wir müssen weiter, dürfen uns nicht verbittern lassen.«
    Ich schluckte, starrte ihn an, rief beinah: »Kein Scheißponyhof? Sie sind
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