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Jenny und der neue Vater

Jenny und der neue Vater

Titel: Jenny und der neue Vater
Autoren: Anna Martach
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Jenny und der neue Vater
    von Anna Martach
     
    Ein CassiopeiaPress E-Book
    © by Author
    © der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
    www.AlfredBekker.de  
     
     
    „Wo bekommt man einen Zauberstab? Das möchte ich auch lernen!“ Die Stimme von Jenny Hillersen klang wehmütig. Das zwölfjährige Mädchen hockte, wie schon oft vorher, auf dem kleinen Hocker am Schmökertisch in der Buchhandlung von Björn König, dem sympathischen Mittdreißiger. Der erfolgreiche Buchhändler hatte eine Vorliebe für Kinder, die hier nach Herzenslust in den Büchern lesen durften – und ganz besonders hatte er Jenny ins Herz geschlossen. Das Mädchen las für sein Leben gern, und sie verstand es auch, die Figuren aus den Büchern in ihren Erzählungen lebendig werden zu lassen.
    Björn machte das Spaß, denn er war der Meinung, dass Bücher die besten Freunde sein konnten. Aus diesem Grunde hatte er in seinem Geschäft überhaupt diese Leseecke eingerichtet, jeder hatte so die Möglichkeit, sich Bücher, die er vielleicht kaufen wollte, erst einmal näher anzusehen.
    „In den Zauberkästen, die man im Spielwarengeschäft...“
    „Ach nee, Herr König, so was meine ich doch nicht“, unterbrach ihn das Mädchen empört. „Ich rede doch nicht von so einem Kinderkram. Das ist doch kein Zaubern. Und außerdem sind das alles nur Tricks, die schummeln doch. Ich will so einen richtigen Zauberstab, mit dem man was tun kann, was...“ Sie brach ab, stocke und drehte dann den Kopf weg.
    Die braunen warmen Augen des Mannes richteten sich fragend, aber auch verständnisvoll auf die Kleine. Schon längst hatte er bemerkt, dass Jenny offensichtlich daheim Probleme hatte, sie wirkte oft bedrückt und unglücklich. Und das waren dann die Zeiten, in denen sie hier noch länger saß als sonst und die Bücher fast in Rekordzeit verschlang.
    Doch im Grunde ging ihn das nichts an, er bedauerte nur, dass ein so aufgewecktes und meist auch fröhliches Mädchen wie Jenny darunter leiden mussten, dass ihre Eltern Streit hatten miteinander.
    „Weißt du“, versuchte Björn sie jetzt zu trösten. „Manchmal hilft es schon, wenn man sich ganz stark etwas wünscht. Dann geht das auch ohne Zauberstab in Erfüllung.“
    „Wünschen kann ich mir viel, aber ich weiß sehr wohl, dass ich nicht im Märchen lebe“, erklärte sie altklug. „Aber wenn ich will, kann ich in den Geschichten leben, die ich lese, das kann auch ganz toll sein. Und jetzt muss ich nach Hause, sonst schimpft meine Mutter, wenn ich zu spät komme. Sie glaubt nämlich, ich bin bei einer Freundin.“
    Sie packte ihre Tasche und lief nach einem kurzen Gruß davon.
    Björn schaute ihr hinterher. So eine Tochter würde er sich auch wünschen, wenn er könnte. Aber bisher hatte es der sympathische Mann noch nicht einmal geschafft, sich die Frau seiner Träume zu suchen, stets war die Arbeit vorgegangen. Er hatte das Geschäft aufbauen müssen, dass sein Vater vor seinem Tod doch sehr vernachlässigt hatte. Und dann hatte ihn die Arbeit auch weiterhin festgehalten. Selbst wenn er ab und zu auf eine Frau traf, die ihn interessierte, so war diese meist gebunden. Und mittlerweile besaß Björn schon drei Geschäfte, die ihn forderten – da musste es schon einen unglaublichen Zufall geben, wenn er praktisch auf den ersten Blick die Richtige treffen sollte.
    Aber die Arbeit füllte ihn aus, und er war nicht unglücklich dabei. Nur in solchen Momenten wie diesen, da er bei Jenny fühlte, wie unglücklich sie war, dann erfasste auch ihn die Sehnsucht nach einer Familie, einer Frau, die Wärme und Liebe geben konnte, und ein oder zwei Kindern, deren Lachen durch das Haus klang, in dem er jetzt meist allein war, abgesehen von der Hauswirtschafterin.
    Björn seufzte, und im nächsten Moment forderten wieder die Kunden und Angestellten seine Aufmerksamkeit, der Augenblick der Sehnsucht verging so schnell, wie er gekommen war.
     
    *
     
    Jenny ging mit langsamen Schritten durch den Vorgarten. Schon von hier draußen hörte sie die Stimmen ihrer Eltern, die sich wieder miteinander stritten. Das heißt, Streit konnte man das eigentlich kaum nennen; Alexander Hillersen, Jennys Vater, beschuldigte wieder einmal lautstark seine Frau, sich mit anderen Männern abzugeben, und Kirsten, Julias Mutter, schwieg – auch wie fast immer. Es hätte auch wenig Sinn gemacht zu antworten. Wenn Alexander in dieser Stimmung war, hörte er nicht zu, wollte er nicht zuhören. Soviel
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