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Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Jack Taylor auf dem Kreuzweg

Titel: Jack Taylor auf dem Kreuzweg
Autoren: Ken Bruen
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– mein Treffen mit ihr auf dem Friedhof, dann ihren Besuch in meiner Wohnung, ihre Verabredung mit Stewart. Ich beschrieb den Vater, Mitch, wie ich ihn gefunden hatte und wie er meiner Ansicht nach in die Sache verwickelt war.
    Sie schwieg eine zweite Runde Kaffee lang, sagte dann: »Jack, es ist fast unmöglich, irgendeine Diagnose zu erstellen, wenn man die Betreffenden nie kennengelernt hat, und alles, was ich sage, ist reine Mutmaßung. Ich möchte, dass Sie das im Hinterkopf behalten. Es ist reines Rätselraten.« Dann lächelte sie. »Um Sie in ein kleines Geheimnis einzuweihen: Vieles von dem, was wir tun, geschieht aufs Geratewohl, bestenfalls, aber damit machen wir keine Reklame.«
    Ich versicherte ihr, sie nicht zu zitieren und jede Hilfe, jeden Vorschlag in diesem Geiste entgegennehmen zu wollen.
    Sie schob ihre Tasse beiseite, beugte sich vor und fragte: »Wissen Sie, was eine folie à deux ist?«
    Wusste ich nicht.
    Erklärte sie.
    »Es ist eine gemeinsame psychotische Störung. Man hat zwei schwerst geschädigte Individuen, die denselben psychotischen Irrglauben haben, und sie werden fast zu einer Person, mit demselben zerstörerischen Ziel. Gewöhnlich gibt es einen Anführer, und die zweite Person macht sich allmählich sämtliche Wahnvorstellungen, Hassprojektionen und Manien der ersten zu eigen. Wenn sie fusionieren, bilden sie eine tödliche Einheit – zum Beispiel die ›Hillside Stranglers‹ in Amerika.«
    Ich dachte darüber nach, sagte: »Gail und ihr Vater.«
    Sie nickte, betonte dann noch einmal, dass dies reine Spekulation sei.
    Ich fragte nach Sean.
    Sie sagte: »Meine Wette wäre, dass er dorthin zurückkehrt, wo Gail ertrunken ist, fast, als hielte er Wache. Was werden Sie mit ihm tun?«
    Mir war es nicht recht klar gewesen, aber jetzt begann die Sache Gestalt anzunehmen.
    »Wenn ich ihn finde, werde ich ihn laufen lassen, ihm sagen, er soll zurück nach London, versuchen, sich ein Leben aufzubauen.«
    Sie war überrascht, ich konnte es in ihren Augen sehen, und sie fragte: »Aber meinen Sie nicht, er sollte für die Rolle, die er bei diesen entsetzlichen Verbrechen gespielt hat, zahlen?«
    Ich war nah dran, ihr von den schrecklichen Fehlern zu berichten, die ich in der Vergangenheit gemacht hatte, wenn ich meiner Rachsucht nachgab und unschuldige Menschen gestorben waren. Stattdessen sagte ich: »Ich finde, es sind genug gestorben.«
    Der Ober brachte die Rechnung, und ich zahlte.
    Draußen hielt ich ein Taxi an und sagte: »Gina, ich bin so dankbar.«
    Sie war amüsiert. »Ich wage eine weitere Vermutung und sage, ich fahre allein nach Hause.«
    Ich murmelte unsortierten Quatsch, dass wir ganz bald mal wieder zusammenkommen müssen und was für eine wunderprächtige Hilfe sie doch war.
    Scheißgerede.
    Das Taxi hielt an und ich ihr die Tür auf. Sie sah mich lange an, sagte dann: »Leben Sie wohl, Jack.«
    Ich hätte etwas sagen sollen, dass es gar nicht ist, wie es aussieht, dass ich sie tatsächlich sehr bald anrufe. Sie lächelte traurig, und das Taxi fuhr davon.
    Ich ging die Quay Street hinauf, sagte mir, dass ich sie anrufen würde, ’türlich würde ich sie anrufen. Vielleicht, wenn ich es oft genug sagte, glaubte ich es auch.
    Ich begann mit dem Ritual, jeden Abend auf die Promenade zu gehen. Gail war um zehn Uhr abends aus dem Wasser gezogen worden, das war also mein, wie man heutzutage sagte, Zeitfenster. Ein Teil von mir sah ein, dass diese Gänge nichts brachten – wenn er sich einfach nie blicken ließ? Sagte mir, zumindest ist es Bewegung, komme ich mal vor die Tür, treibe praktisch Sport. Und gegen das Humpeln half es eindeutig. Ihre Leiche war in Blackrock angeschwemmt worden. Früher durften hier nur Männer baden. Damit war längst Schluss, und Frauen durften die Einrichtungen ebenfalls nutzen.
    An den meisten Abenden sah ich am Strand Gruppen junger Leute unter zwanzig, die Buckfast tranken, plus eine symbolische Flasche Wodka, als Fanfare, die besagte: »Wir geben uns die Kante, wir machen uns kaputt. «
    In meiner frühen Jugend war es ein Flachmann Apfelwein gewesen, ein Flachmann für fünf Nasen, und eine Schachtel Woodbine. Dope war damals unbekannt. Die neue Generation, die hatte jede Menge Dope, von E über Koks bis Crack. Kristallines Meth hatte seine böse, gefährliche Fratze in bedenklichen Mengen gezeigt. Ich hatte mit einem der Backfische gesprochen, und sie hatte mir gesagt, wie es lief: nichts mit langsam Vorglühen und mählich ausgelassen
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