Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
Sean wollte sich mit ihm auf einen Kaffee im Stanley treffen. Danach ... fuhr er zum See hinaus. Wir wissen nicht, weshalb er dorthin gefahren ist. Er wurde in seinem Wagen gefunden, von einem Ranger, der den Schuss gehört hatte.«
    »Informationen zu welchem Fall?«, fragte ich.
    »Hören Sie, Jack, ich möchte nicht...«
    »Zu welchem Fall?«, brüllte ich, diesmal ohne Rücksicht auf meine Lautstärke. »Es war Lofton, stimmt’s?« Wexler nickte kurz, und St. Louis trat kopfschüttelnd ans Fenster.
    »Wen wollte er treffen?«
    »Kann ich Ihnen nicht sagen. Details gehen Sie nichts an.«
    »Ich bin sein Bruder. Und das ist seine Frau.«
    »Es wird alles genauestens untersucht. Aber wenn Sie nach Unstimmigkeiten suchen - es gibt keine. Wir sind dort gewesen. Er hat sich selbst umgebracht. Er hat seine eigene Waffe benutzt, er hat eine Nachricht hinterlassen, und wir haben an seinen Händen Pulverrückstände gefunden. Ich wollte, es wäre nicht so. Aber er hat es getan.«
2
    In Colorado schaufeln die Bagger beim Ausheben im Winter gefrorene Erdklumpen aus. Mein Bruder wurde im Green Mountain Memorial Park in Boulder begraben, kaum eine Meile von dem Haus entfernt, in dem wir aufgewachsen waren. Als Kinder kamen wir im Sommer auf dem Weg zum Chautauqua Park daran vorbei. Ich glaube nicht, dass wir je einen Blick auf die Grabsteine warfen und auch nur einen Gedanken daran verschwendeten, dass dies der Ort sein könnte, an dem wir einst enden würden. Doch genauso war es für Sean gekommen.
    Der Green Mountain erhob sich über dem Friedhof wie ein riesiger Altar und ließ die kleine Versammlung am Grab noch kleiner erscheinen. Riley war natürlich da, zusammen mit ihren Eltern und meinen. Wexler und St. Louis, an die zwei Dutzend weitere Cops, ein paar Freunde von der High School, mit denen weder Sean, Riley noch ich in Verbindung geblieben waren, und ich. Es war kein offizielles Polizeibegräbnis mit Fahnen und dem ganzen Trara. Dieses Ritual blieb denen Vorbehalten, die in Ausübung ihres Dienstes ums Leben gekommen waren. Obwohl man argumentieren konnte, dass es sehr wohl ein Tod in Ausübung des Dienstes gewesen war, wurde er von der Zentrale nicht als solcher betrachtet. Also bekam Sean keine große Schau, und der größte Teil der Polizei von Denver blieb der Zeremonie fern. Selbstmord wird von vielen der Männer in Blau für ansteckend gehalten.
    Ich war einer der Sargträger. Ich ging vorn, zusammen mit meinem Vater. Zwei Cops, die ich vor diesem Tag noch nie gesehen hatte, die aber zu Seans Team gehörten, übernahmen die Mitte, und Wexler und St. Louis das Ende. St. Louis war zu groß und Wexler zu klein. Mutt und Jeff. Deshalb neigte sich der Sarg nach einer Seite. Es muss merkwürdig ausgesehen haben. Meine Gedanken schweiften ab, während ich mit dem Gewicht kämpfte, ich stellte mir vor, wie Seans Körper in dem Sarg hin und her rollte.
    Ich sprach an diesem Tag nicht viel mit meinen Eltern, obwohl ich mit ihnen und Rileys Eltern zurückfuhr. Wir hatten seit Jahren nicht mehr über irgendetwas Bedeutsames gesprochen, und nicht einmal Seans Tod konnte daran etwas ändern. Nach dem Tod meiner Schwester vor zwanzig Jahren hat sich ihr Verhältnis zu mir geändert. Es sah so aus, als wäre ich, der Überlebende des Unfalls, verdächtig geworden, gerade weil ich überlebt hatte. Außerdem bin ich sicher, dass ich sie seit damals mit meinen Entscheidungen immer wieder enttäuscht habe. Ich stelle mir all diese kleinen Enttäuschungen wie Zinsen vor, die sich auf einem Bankkonto ansammeln, bis so viel vorhanden ist, dass sie sich damit zur Ruhe setzen können. Wir sind einander fremd geworden. Ich besuche sie nur an irgendwelchen Feiertagen. Deshalb gab es auch nichts von Bedeutung, was ich zu ihnen hätte sagen können, und nichts, was sie zu mir hätten sagen können. Abgesehen vom gelegentlichen Schluchzen Rileys war es im Innern der Limousine so still wie in Seans Sarg.
    Nach der Beerdigung nahm ich zusätzlich zu der einen freien Woche nach einem Todesfall, den die Zeitung gewährte, zwei Wochen Urlaub und fuhr ganz allein in die Rockies hinauf. Ich bin immer wieder fasziniert von den Bergen. Dort verheilen meine Wunden am schnellsten.
    Ich fuhr auf der 70 nach Westen, durch den Loveland Pass und über die Gipfel nach Grand Junction. Ich ließ mir dafür drei Tage Zeit, machte zum Skilaufen Halt, hielt manchmal einfach in Überholbuchten an, um nachzudenken. Nach Grand Junction fuhr ich Richtung Süden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher