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Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Titel: Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
Autoren: Susan Wiggs
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seiner Hure gemacht, bis sie während des langen Winters den Verstand verloren …“
    Der Mann mit der Augenklappe nickte kaum merklich. Seine Begleiter drängten Philip gegen die Wand, und einer nahm ihm die Waffe ab, als wäre sie nicht mehr als ein Spielzeug.
    „Schafft ihn fort“, sagte Tom. „Schafft ihn ihr aus den Augen.“
    Deborah, die von dem ganzen Rauch immer wieder husten musste, klammerte sich an ihn. Langsam begann sie zu realisieren, dass er lebte, und Freude wallte in ihr auf. „Ich dachte, sie hätten dich erschossen“, wisperte sie. „Ich dachte, du seist tot.“
    „Das solltest du auch denken. Sie haben aber nur in die Luft geschossen.“ Er starrte auf den blutverschmierten Boden. „Dein Vater wollte es so, wollte, dass du dir keine Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft mit mir machst. Aber er wollte nicht mein Blut an seinen Händen haben.“
    Gemeinsam standen sie in der verwüsteten Kabine. Überall waren Einschusslöcher zu sehen, die gläsernen Lampen lagen in Scherben auf dem Boden. Bei dem Kampf waren die Bettvorhänge heruntergerissen worden, und die schwere seidene Bettdecke war vom Bett gerutscht. Der verängstigte Mischlingshund saß zitternd inmitten der Zerstörung. Und Deborahs Vater lag tot da, das Blut von seinen Wunden bereits geronnen.
    Sie sank neben ihm auf die Knie und berührte sein ergrautes Haar mit bebenden Fingern. Dann zog sie die Vorhänge über den Leichnam mit der tödlichen Wunde, streichelte ihn, wusste, dass am Ende seine Liebe stärker als sein Hass gewesen war.
    „Er hat es verstanden. Ganz am Ende hat er es verstanden – das mit uns, und er hat Philips wahre Natur erkannt. Aber es war zu spät.“ Sie nahm eine Hand ihres Vaters, erschrak, wie kalt sich seine Finger schon anfühlten und drückte sie an ihre Lippen. Arthur Sinclair war ein komplizierter Mensch gewesen. Er hatte viele schlimme Dinge in seinem Leben getan, aber er hatte sie auf die einzige Weise geliebt, die ihm möglich gewesen war.
    Sanft legte sie die leblose Hand wieder zurück und stand auf.
    „Bist du verletzt?“, fragte Tom.
    Sie schüttelte den Kopf. „Mir geht es … gut.“ Ihre Stimme brach, und sie konnte nicht weiterreden.
    Er schloss sie in die Arme. „Ich weiß, Süße“, sagte er. „Ich weiß.“
    Sie überließ sich ihrer Trauer, und die Erinnerungen stürzten auf sie ein. Sie erinnerte sich an ihren Vater so, wie er es gewollt hätte – als einen liebevollen Mann, dessen einziger Fehler gewesen war, dass er versucht hatte, ihr eine Welt zu bieten, in der sie sich nicht wohlfühlte. Am Ende hatte er ihr aber das gegeben, was sie bis an ihr Lebensende wie einen kostbaren Schatz bewahren würde – den Anhänger ihrer Mutter und all die wunderschönen Erinnerungen, die sie damit verband. In diesen langen, stillen Augenblicken empfand sie unendlichen Kummer, der so scharf war, dass er reinigend wirkte.
    Tom sah sie lange forschend an. „Komm“, sagte er, „ich bringe dich weg von hier.“
    Sie traten gemeinsam ins Freie, ließen die noch immer in der Luft hängenden Rauchschwaden von der Schießerei und das viele Blut hinter sich in der Kabine zurück. Die nach Kiefernwald duftende Brise auf dem See umwehte sie, kalt und sauber … und schickte sie unermüdlich in Richtung Westen.

EPILOG
    Chicago
    8. Oktober 1872
    E s war der kälteste Oktober seit Menschengedenken. Der See bestimmte das Wetter und trieb kühlen Nebel in großen tief hängenden Wolkenbänken über die Stadt. Das Vieh bekam dickes Winterfell und kauerte sich dicht aneinander gedrängt in die Unterstände. Die ungewöhnlich heftige Kälte veranlasste die Frauen dazu, schon früh an den Backtagen den Ofen anzufeuern. Die kleinen Kinder bekamen rote Wangen und waren ganz übermütig vom Spielen an der frischen Luft. Arbeiter unterbrachen ihr Tagewerk, schlugen die Krägen hoch und bemerkten zueinander, dass sie gewiss eine Extraration Feuerholz aus den neuen Sägewerken brauchten, damit ihre Familien nicht frieren müssten.
    Jedenfalls war es schwer zu glauben, so hörte man allerorten, dass von Chicagos dreihunderttausend Einwohnern das verheerende Feuer nur einhundertsiebenundachtzig Menschen das Leben gekostet hatte. Viele mehr waren freilich dadurch obdachlos geworden, aber Häuser konnte man wieder aufbauen.
    Mit fieberhafter Energie und Tatkraft war Chicago aus dem glimmenden Schutt wieder auferstanden. Der Stadt war es gelungen, ihren Charakter trotz der Zerstörung zu behalten. Der See,
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