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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim
Autoren: Antje Babendererde
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Versuche, an den Erinnerungsfäden zu ziehen, um Vergangenes hervorzuholen. Dinge, die im Nachhinein vielleicht darauf hindeuten, was geschah. Hat Grimmer Alinas Entführung von langer Hand geplant oder ist ihm der Zufall zu Hilfe gekommen?
    Diesen Raum hier hat er zu einem schalldichten Verlies umgebaut, um jemanden für lange Zeit gefangen zu halten. War Alina die Erste oder hat es schon vor ihr Mädchen gegeben? Wo bin ich? In seinem Haus? Wie kann er das alles hier gebaut haben, ohne dass seine Frau etwas bemerkt hat?
    Ich zittere, trotz Decke. Alina wohnte schon in Altenwinkel, als Elvira Grimmer ihren Treppensturz hatte. Die Frau war wochenlang in einer Reha-Klinik gewesen, in dieser Zeit hat Grimmer das Haus rollstuhltauglich umgebaut. Ziemlich clever. So ist den Leuten gar nicht aufgefallen, dass er mehr Beton angemischt hat, als für die Rampe zur Haustür notwendig war. Und als Elvira zurück nach Hause kam, konnte sie keine Kellertreppen mehr steigen.
    All die Jahre haben mich Schuldgefühle geplagt, weil ich nicht pünktlich zu unserer Verabredung in den wilden Garten kam. Ich dachte, nur deshalb wäre Alina verschwunden. Aber das, was mit ihr geschehen ist, war gar kein Zufall. Grimmer hat ihre Entführung von langer Hand geplant. Wahrscheinlich steht er auf kleine blonde Engel. Ich sitze nur hier unten, weil er Angst hat, dass ich ihm auf die Schliche gekommen bin.
    Mein Gehirn rattert unaufhörlich, fassungslos beginne ich zu verstehen, was damals wirklich geschehen ist – wie perfekt Rudi Grimmer alle im Dorf getäuscht hat. Grimmer ist Polizist gewesen. Er hat mit Sicherheit gewusst, dass es eine Akte über Martin Sievers gab. Also hat er Alinas Kleid in Sievers’ Wohnwagen gelegt und mit dem blutigen Riss ihren Tod vorgetäuscht. Es muss Alinas Blut gewesen sein, das hat die Polizei ganz sicher überprüft. Was hat er mit dir gemacht, Waldfee? Was musstest du erleiden?
    Plötzlich muss ich an Grimmers Unfall vor drei Jahren denken. Er hat damals wochenlang im Krankenhaus gelegen. War das Alinas Ende? Ist sie zwischen diesen rosafarbenen Wänden jämmerlich verhungert? Mir wird so schlecht, dass ich zur Toilette renne und mich übergebe. Doch es kommt nur Wasser, mein Magen ist leer.
    Werde auch ich verhungern?
    Was hat er mit mir vor, wo ich doch gar nicht in sein Schema passe? Was tue ich, wenn er kommt? Ich sehe mich um im Raum, suche nach etwas, das ich als Waffe benutzen kann. Aber da ist nichts. Nur der Stuhl.
    Ich versuche, mich zu konzentrieren und meine Gedanken zu ordnen. Bisher ist Grimmer noch nicht aufgetaucht. Kann er mich sehen, ohne dass ich ihn sehe?
    Ich beginne, die beiden Räume systematisch abzusuchen, kann aber nichts finden. Durst plagt mich, ich halte den Kopf unter den Wasserhahn. Dann lasse ich mich wieder auf das Bett fallen.
    Grimmer hat mir die Uhr abgenommen und ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Ist es Tag oder Nacht? Ich will nicht einschlafen, aber meine Augen brennen vor Müdigkeit. Die Lüftung klappert nicht mehr, es ist wieder totenstill. Inzwischen lautet die Frage: Was tue ich, wenn er nicht kommt?
    Ein schleifendes Geräusch lässt mich hochfahren. Ich muss doch weggenickt sein. Mit rasendem Herzen starre ich auf die eiserne Tür. Die kleine Schiebeklappe in der Mitte öffnet sich langsam. Verdammt, ich habe das Licht brennen lassen, er kann mich sehen. Das perverse Arschloch kann mich sehen.
    Ich springe auf, schalte das Licht aus und meine Hände umklammern die Streben der Stuhllehne. Kampflos wirst du mich nicht bekommen, denke ich und lausche. Nichts ist zu hören. Wird sich der Schlüssel im Schloss drehen, ein Riegel zurückgeschoben werden?
    War’s das jetzt?
    Licht fällt durch den viereckigen Schlitz, der Strahl einer Taschenlampe tastet sich durch den Raum. Mit zwei Schritten bin ich an der Wand neben dem Vorhang und drücke mich in die Ecke. Meine sperrige Waffe habe ich mitgenommen.
    Ein leises Schaben und der Lichtstrahl verschwindet. Ich stehe im Dunkeln. Höre erneut dieses seltsame Schleifen, ein dumpfes Einrasten, dann ist es wieder still.
    Mit einem Aufschrei schleudere ich den Stuhl von mir, springe aus der Ecke und trete gegen die Tür. »Lass mich hier raus, du Schwein«, brülle ich und hämmere mit den Fäusten gegen die eiserne Tür. Ein wilder Tierlaut kommt aus meinem Inneren, meine Hände schmerzen und mein Hämmern verebbt zu
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