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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim
Autoren: Antje Babendererde
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nicht an. »Das war es nicht, was er von mir wollte. Meine Zimtprinzessin hat er mich immer genannt. Er war mein Prinz, mein Beschützer. Laurentia, liebe Laurentia mein musste ich mit ihm singen und … na ja, solche Sachen eben. Er hat da irgendeine Macke, was seine tote Schwester angeht.«
    Â»Wie … wie bist du ihm entwischt?«
    Â»Grimmer war unten bei mir und hat mir wieder dieses wirre Zeug von seiner Schwester erzählt, als Biene vor der Tür plötzlich fürchterlich zu jaulen anfing. Grimmer liebt den blöden Köter wie verrückt und ist sofort zu ihr raus. In seiner Panik hat er die eiserne Tür nicht richtig verriegelt. Die Hündin hatte eine Kolik oder so was, jedenfalls ist er mit Biene hoch und weggefahren, wahrscheinlich zum Tierarzt. Das war der Moment, auf den ich seit zwei Jahren gewartet habe.«
    In meinem Kopf beginnen die Rädchen, sich zu drehen. »Zwei Jahre, sagst du?«
    Â»Ja. Es war Mai, als ich ihm entkommen bin. Kirschblütenzeit.« Sie hustet und nimmt einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. Ihre schwarz umrandeten Augen verengen sich dabei zu Schlitzen, aus denen sie mich mit kühlem Blick mustert.
    Â»Klingelt da was bei dir, Waldschrat?«
    Und ob. Ich sehe wieder die bleiche Gestalt mit den Feenflügeln unter meinem Balkon stehen und zu mir heraufschauen.
    Â»Ich war zwei Jahre im Keller von diesem perversen Arschloch eingesperrt und habe an nichts anderes gedacht, als dass ihr mich da rausholen würdet – du, meine beste Freundin, und meine Eltern. Aber niemand kam, niemand holte mich. Meine Eltern nicht und du auch nicht. Ihr habt mich einfach aufgegeben und vergessen.«
    Ich will protestieren, doch Alina spricht schon weiter: »Und dann hilft mir der Zufall. Ich bin frei und Grimmer ist weg. Das hat mich beinahe umgehauen, verstehst du? Ich stand völlig neben mir. Wie in Trance bin ich durchs dunkle Dorf gelaufen, niemand ist mir begegnet, nirgendwo brannte Licht. Bis ich zum Haus meiner Eltern kam.«
    Alinas holt tief Atem. »Licht fiel aus dem Wohnzimmer auf die Veranda und ich bin hingegangen. Weißt du, was ich gesehen habe?« Ihre Stimme bebt. »Meinen Vater mit einer fremden Frau und einem Baby. Eine glückliche neue Familie. Kannst du dir vorstellen, was damals in mir vorging?«
    Ich schüttele den Kopf, schweige, einen dicken Kloß im Hals. Nein, ich kann mir nicht annähernd vorstellen, wie das für Alina gewesen sein muss, und ich weiß, dass sie keine Antwort von mir erwartet. Vermutlich brach ihre Welt damals endgültig zusammen.
    Â»Mein Vater hat die Frau, die nicht meine Mutter war, geküsst und sie hat ihm das Baby gereicht. Das war eindeutig, mehr brauchte ich nicht sehen. Mama war nicht mehr da und mein Vater hatte sie und mich sehr schnell ersetzt. Eine neue Frau, ein neues Kind. Ich war längst vergessen.«
    Â»Niemand hat dich vergessen, Alina«, flüstere ich. »Wir dachten alle, du wärst tot.«
    Â»War ich aber nicht, verdammt.« Ihre Unterlippe zittert. »Oder habt ihr meine Leiche gefunden und ich weiß nichts davon? Ich habe gewartet und gehofft und resigniert und doch wieder gehofft. Ich hatte zwei Jahre lang Angst, Waldschrat. So wahnsinnige Angst, dass er irgendetwas Schreckliches mit mir anstellen könnte.«
    Â»Wieso hast du nicht einfach geklingelt? Dein Vater war immer noch dein Vater.«
    Â»Ich konnte nicht. Ich …« Alina schüttelt den Kopf.
    Beschämt wende ich mich ab, Tränen füllen meine Augen. Mit dem Handrücken wische ich sie weg. »Du hast unter meinem Balkon gestanden, in dieser Nacht, nicht wahr? Warum hast du nichts gesagt und bist einfach wieder verschwunden? Ich war krank und hatte Fieber. Ich dachte, du wärst ein Geist, Alina.«
    Sie zuckt mit den Achseln und schnippt die Kippe ins Gras. »So krank hast du aber gar nicht ausgesehen. Du hast auf deinem Balkon gestanden und gelacht. Es ging dir gut, auch du hast mich nicht vermisst.«
    Â»Das stimmt nicht, Alina. Ich habe dich jeden Tag vermisst, bis heute. Aber das Leben ging weiter. Es musste weitergehen.«
    Â»Pah.« Sie stößt verächtlich Luft durch die schwarzen Lippen. »Ein Leben in diesem beschissenen engen Kaff. Ist es das, was du willst?«
    Â»Es ist mein Leben – und ich mag es«, erwidere ich und ärgere mich über den Trotz in meiner Stimme.
    Alina lächelt mitleidig, doch ich
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