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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim
Autoren: Antje Babendererde
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einem kläglichen Pochen. »Bitte, lass mich hier raus.« Schluchzend lasse ich mich mit dem Rücken gegen die Tür fallen, rutsche langsam an ihr zu Boden.
    Für eine Weile dämmere ich in einer Art Trance vor mich hin, in der Gedankenfetzen nur verschwommen auftauchen und wieder verschwinden. Meine Mutter, sie muss mich doch vermissen. Oder liegt sie, betäubt von ihren Medikamenten, in ihrer Schreibklause und schläft? Wie spät ist es? Ist die Polizei im Dorf? Gibt es denn niemanden, der mich vermisst? Kai, du musst doch merken, dass ich fort bin. Oder denken die Leute, dass ich mit Olek auf und davon bin? Olek, mein lächelnder Dieb mit den schönen Augen. Lebst du noch? Oder haben sie dich im Wald verscharrt? Schießen, schaufeln, schweigen, die drei großen S der Jägerei.
    Mein Magen beginnt zu rumoren und von diesem dumpfen Hungergefühl werde ich wieder richtig wach. Ich habe seit dem Frühstück am Sonntag nichts mehr gegessen. Ist überhaupt noch Sonntag? Oder schon Montag?
    Ich rappele mich ächzend vom Boden hoch. Meine Beine sind eingeschlafen, ich habe das Gefühl, als würden tausend Ameisen durch meine Adern rennen. In kleinen Schritten laufe ich bis zur Wand, taste mich bis zum Lichtschalter vor und lege ihn um. Wie ein Maulwurf blinzele ich in den hellen Raum. Mein Schädel brummt, an meinem Hinterkopf hat sich eine dicke Beule gebildet. Ich bekämpfe meinen Hunger mit Wasser aus der Leitung. Hungern kann man lange, aber dursten nur drei Tage, habe ich mal gelesen. Das Wasser gluckert in meinem Magen, das hohle Gefühl bleibt.
    Ich lege mich auf das Bett und starre an die Decke. Wird Grimmer mich hier unten jämmerlich verrecken lassen? Immer mal durch den Schlitz leuchten und nachschauen, ob ich noch Kraft habe, mich vor ihm zu verstecken? Wird er die eiserne Tür öffnen, wenn ich schwach genug bin und mich nicht mehr wehren kann?
    Ich bin fast siebzehn, alt genug, um zu wissen, dass manche Dinge nicht gut ausgehen. Passiert mir das hier wirklich? Ist man feige, wenn einen den Mut verlässt?
    Ich weiß, dass ich aufstehen sollte, mich bewegen, irgendetwas tun, aber alle Kraft hat mich verlassen. Nach einer Weile nicke ich wieder ein.
    Ein kaltes Frösteln überläuft mich, als ich erneut das schwere Schleifen höre. Ich möchte liegen bleiben und mich vom Strahl der Taschenlampe abtasten lassen. Ich will, dass Grimmer diese Tür öffnet und hereinkommt. Dass ich ihm ins Gesicht spucken kann, bevor er mit mir macht, was immer er sich in seinem kranken Hirn für mich ausgedacht hat.
    Jemand macht sich an der Tür zu schaffen. Ich springe auf und schnappe mir den Stuhl. Wie eine Kriegerin stehe ich da, mit wirrem Haar, die Stuhlbeine als Waffe auf die Tür gerichtet.
    Die Schiebeklappe geht auf und ein mächtiger Adrenalinschub fährt durch meinen Körper.
    Â»Jola Schwarz, sind Sie da drin?«, fragt eine forsche Frauenstimme. »Hier ist die Polizei. Sie brauchen nichts mehr zu befürchten. Wir sind gleich bei Ihnen.«
    Langsam lasse ich den Stuhl sinken. Ich atme tief ein, merke, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet. Ich atme, ich lächele und ich warte, bis die große Eisentür endlich aufgeschoben wird.

28. Kapitel
    W ie geht es Elli? Hat Grimmer sie …?«
    Â»Nein, er hat ihr nichts getan und es geht ihr gut. Sie hat eine Verletzung am Bein, abgesehen davon ist sie völlig unversehrt.« Die Frau mit den kurzen Haaren und den vielen Sommersprossen, die sich mir als Hauptkommissarin Hanna Schilling vorgestellt hat, sitzt neben mir auf dem Bett, während ein älterer Polizist kopfschüttelnd das Verlies begutachtet.
    Â»Sie ist mir in den Wald nachgefahren.«
    Die Kommissarin nickt. »Elli hat dich aus den Augen verloren und wollte ins Dorf zurückfahren, da hat Grimmer sie sich geschnappt. Aber sie hat ihn gebissen und ist ihm entkommen. In ihrer Panik ist sie immer tiefer in den Wald gerannt, dabei ist sie gestürzt und hat sich böse das Bein aufgerissen. Dieser junge Mann, Olek, er hat sie gefunden. Elli sagt, er hat sie in seine Räuberhöhle gebracht, um ihr Bein zu verbinden. Als er Elli dann ins Dorf tragen wollte, sind sie dem Suchtrupp in die Arme gelaufen. Und dabei hat es wohl einige Irritationen gegeben.«
    Â»Irritationen? Hubert Trefflich hat auf Olek geschossen und …«
    Die Kommissarin tätschelt meine Schulter. »Es
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