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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim
Autoren: Antje Babendererde
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Kai verliebte) Tochter von Pfarrer Kümmerling gehen auf die Arnstädter Regelschule. Das kleinere Gemüse besucht die Grundschule in Eulenbach.
    Â»Was hast du denn mit deinem Gesicht gemacht?«, fragt Max.
    Â»Sie hat das Nest eines Raubwürgers observiert«, antwortet Kai, bevor ich den Mund aufmachen kann.
    Saskia grinst in sich hinein, enthält sich aber jeglichen Kommentars.
    Endlich kommt der Schulbus, die Tür öffnet sich mit einem Zischen und wir steigen ein. Ich setze mich ganz hinten ans Fenster, lege meine Stirn an die kühle Scheibe und versuche, das Geschrei der Grundschüler auszublenden. Es sind bloß sechs, aber sie machen Krach für zwanzig. Nach dem Wochenende sind sie immer besonders aufgedreht, aber spätestens in Eulenbach werden alle unter elf Jahren aussteigen und es wird schlagartig ruhiger.
    Saskia besetzt den Platz neben mir, also schiebt Kai sich notgedrungen neben Max, der sofort auf ihn einplappert, um sein neuestes, übers Wochenende angelesenes Wissen loszuwerden. Der Bus fährt los, er dreht seine Runde um Dorfbrunnen und Spielplatz, die beide von der mächtigen Blutbuche mit ihren ausladenden Ästen und leuchtend roten Blättern überdacht sind.
    Unwillkürlich muss ich an eine Begegnung vor zwei Wochen denken, die ich mit der alten Tonia Neumeister, der größten Tratschtante des Dorfes, hatte.
    Ich kam von Saskia, wir hatten uns ein Video angesehen und Pizza gegessen. Es wurde langsam dunkel und ich erschrak zu Tode, als die Neumeister plötzlich hinter einer Hecke auftauchte wie ein Geist und mir ihre arthritischen Hexenfinger in den Oberarm krallte. »An der Blutbuche, da ist er gestorben, der Ami«, zischte sie mir ins Ohr. »War schwarz wie die Nacht. Irgendwann wird sich’s rächen.«
    Kaum, dass ich mich von dem Schreck erholt hatte und fragen wollte, was sich rächen würde, ließ die Alte mich ruckartig los, zog den Kopf ein und trippelte in Richtung Kirchplatz davon. Ich wollte ihr nachlaufen, als ich bemerkte, dass vor der Tischlerei Grimmer auf der anderen Straßenseite jemand stand und zu mir herüberstarrte.
    Vermutlich war es Magnus, der Sohn von Tischler Grimmer. Magnus hat einen Sprung in der Schüssel und den Kindern im Dorf ist er nicht geheuer, aber der Mann ist vollkommen harmlos. Die alte Neumeister verschwand in ihrem Hexenhaus neben dem Dorfladen, also ging ich nach Hause.
    Tonia Neumeister weiß immer zuerst, wenn jemand gestorben ist und woran. Sie weiß, wo im Dorf das Geld steckt, wer etwas mit wem hat und wer sich nicht grün ist. Den lieben langen Tag steht sie vor dem Dorfladen oder glotzt aus ihrem Fenster, von wo sie das halbe Dorf gut im Blick hat. Anderer Leute Angelegenheiten sind ihr Hobby und ihr Ruf als Unruhestifterin ist legendär.
    Mit Sicherheit ist der Alten nicht entgangen, dass Saskia tagelang versucht hat, mit ein paar betagten Leuten aus Altenwinkel über das Dorfleben während des Kriegsendes und der unmittelbaren Zeit danach zu sprechen.
    Â»Was glaubst du«, fragt Saskia in meine Gedanken hinein. »Ob die alte Scherer wirklich krank ist oder ob sie kalte Füße bekommen hat?«
    Ich zucke ratlos mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich kenne die Frau ja überhaupt nicht.«
    Â»Hey und ich dachte immer, in so einem kleinen Dorf kennt jeder jeden.«
    Â»Natürlich kenne ich sie«, brumme ich. »Aber ich weiß nicht viel über sie, nur das, was alle wissen.«
    Â»Mal ehrlich«, sagt Saskia, »findest du es nicht seltsam, dass ich überall abgeblitzt bin? Ich meine, die Greise sollten doch froh sein, dass sich mal jemand für sie interessiert.«
    Â»Vielleicht wollen sie sich nicht erinnern«, sage ich. »Verdrängung als Strategie, um weiterleben zu können. Überleg doch mal, was wir bei unseren Recherchen für grausige Sachen herausgefunden haben. Ich hätte die Erinnerungen auch weggesperrt und den Schlüssel weggeworfen.«
    Letzten Herbst haben sich unser Deutschlehrer und unsere Geschichtslehrerin zusammengetan mit der Idee, uns in Arbeitsgruppen ein Projekt erarbeiten zu lassen, mit dem wir die Noten in unserem Jahresendzeugnis aufbessern können. Kai, Saskia, Tilman und ich haben uns für die Vergangenheit und die Geheimnisse des geschichtsträchtigen Tals unweit unseres Dorfes entschieden. Der Titel unseres Projektes »Das Tal – eine Spurensuche« stammt von Kai; die
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