Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung
Autoren: Philipp Möller
Vom Netzwerk:
und deute auf das Ö. »Das hier ist also ein Ü?«
    Die anderen fangen an zu kichern, aber weil ich die junge Dame nicht vorführen möchte, wende ich mich wieder der gesamten Klasse zu.
    »Ihr seid doch schon in der vierten Klasse und kennt das Alphabet, oder?«
    Eifriges Nicken.
    »Also du«, ich zeige auf einen Jungen in der zweiten Reihe. »Wie heiße ich?«
    Er zögert, sodass ich mich dazu entschließe, ihm eine Hilfestellung zu geben.
    »Das hier ist ein Ö, wie in dem Wort Döner«, sage ich deutlich. Aber dieses Beispiel war wohl nicht so klug.
    »Herr Mööö-ler?«, fragt er vorsichtig, woraufhin die ganze Klasse laut lacht.
    »Nein«, sage ich mit fester Stimme, »mit kurzem Ö. Meinen Nachnamen spricht man: Möller!«
    Dabei betone ich das kurze Ö. Eine Schülerin meldet sich.
    »Können wir jetzt endlich Mathe machen, Herr Möller ?«, fragt sie mit gelangweilter Stimme.
    »Erst, wenn alle meinen Namen aussprechen können«, entgegne ich ruhig. »Also, jetzt sagen bitte alle gleichzeitig: Möller. Eins, zwei, drei …«
    »Möller!«, ruft die ganze Klasse, einige der Jungs brüllen sogar.
    »Gut, dann kennt ihr ja jetzt meinen Namen. Damit ich eure Namen möglichst schnell lerne, basteln sich jetzt bitte alle ein Namensschild.«
    Noch bevor ich ausgesprochen habe, springen die Kids auf und drängeln sich an ihre Fächer im hinteren Teil der Klasse. Meinen nachgeschobenen Satz »Ihr habt genau eine Minute Zeit!« hört fast niemand mehr.
    Memo an mich: Keine Anweisungen geben, die Chaos verursachen könnten!
    Ich nehme am Lehrertisch Platz und warte. Dabei kann ich beobachten, dass die Kids meine Anwesenheit ziemlich schnell zu vergessen scheinen. Sie fangen an, sich zu beschimpfen, sich gegenseitig die Stifte wegzunehmen und andere zu schubsen. Offensichtlich muss ich sie kurz an mich erinnern.
    »Noch dreißig Sekunden«, rufe ich in die Menge, woraufhin sich das Arbeitstempo etwas erhöht. »Wer fertig ist, setzt sich bitte auf seinen Platz.«
    Da ich keine Uhr trage, werfe ich heimlich einen Blick auf mein Handy und stelle fest, dass schon ein Drittel der ersten Stunde vergangen ist. Als alle mit den Namensschildern fertig sind, setze ich endlich den Unterricht fort.
    »Nachdem wir nun unsere Namen kennen, können wir ja mit Mathe anfangen.«
    Ich schaue das zickige Mädchen an, das vorhin so erpicht darauf war, mit dem Unterricht zu beginnen. Auf dem Schild vor ihr prangt der Name Nina. Ihre blonden Haare sind zu einem strengen Zopf gebunden. Den Kopf hat sie leicht in den Nacken gelegt. Sie hat eine betont aufrechte Körperhaltung und drückt sich gewählt aus. Ihre Lippen presst sie, wenn sie nicht spricht, aufeinander. Ein ganz klarer Fall: Nina ist ein Alphatier. Ihr Outfit scheint den allgemeinen Kleidungsstil in der Klasse vorzugeben. Die mit Plastiksteinchen besetzten Blümchenmuster auf ihrer Jeans und ihrem Oberteil kann ich bei fast allen anderen Mädchen wiederfinden. Mal sehen, was von ihrem Arbeitseifer von eben noch übrig ist.
    »Wollen wir dann anfangen, Nina?«
    »Hä?« Meine Frage hat sie aus einem Gespräch mit ihrer Banknachbarin gerissen.
    »Das heißt: Wie bitte?«, sage ich und ärgere mich noch im selben Moment über diesen Spießerspruch.
    Nina verdreht die Augen. »Ist ja gut!«
    Hier wird wieder klar, was ich bereits in der Uni gelernt habe: Die Persönlichkeit eines Menschen bildet sich ziemlich früh aus. Mir schwant, dass das auch für die kleine Diva hier gilt – und das wird vermutlich anstrengend.
    »Gut, dann holt mal bitte eure Bücher raus«, gebe ich die nächste Anweisung und verursache damit erneutes Chaos, denn die Bücher befinden sich auch in den Fächern am anderen Ende des Klassenraums.
    »Okay, das hat jetzt wieder zwei Minuten gedauert«, sage ich, als alle wieder sitzen. »Damit das nicht jede Stunde passiert, erwarte ich, dass ihr beim nächsten Mal eure Bücher am Platz habt, bevor die Stunde losgeht. Können wir dann anfangen?«
    Die kleine Fatima meldet sich. Sie trägt ein rosafarbenes Kinderkopftuch, und ihre Körpersprache lässt auf eine sehr aktive Persönlichkeit schließen. »Herr Mülla?«
    »Möller! Ja, was gibt’s denn?«
    »Dieser Kevin, er hat misch Fotze gesagt«, sagt sie und zeigt auf ihren Sitznachbarn.
    »Wie bitte? Stimmt das, Kevin?«, frage ich ihn streng.
    Er schaut mich traurig an. »Ja, aber sie hat misch Wichser gesagt.«
    »Ich möchte hier keine Schimpfworte hören! Von niemandem, klar?«
    Die beiden nicken.
    »Gut,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher