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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung
Autoren: Philipp Möller
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einführen werde.
    »Frau Dremel wartet bereits im Lehrerzimmer auf Sie«, erklärt er mir nun. »Sie wird dann alles Weitere mit Ihnen besprechen.«
    Frau Dremel hat die beiden Klassen, denen ich ab heute Mathematik beibringen soll, bislang vertretungsweise unterrichtet. Ab jetzt – mit der Übergabe des pädagogischen Staffelstabs an meine Wenigkeit – kann sie sich wieder verstärkt ihren eigentlichen Aufgaben als Klassenlehrerin widmen.
    Die Tür zu Friedrichs Büro wird plötzlich aufgerissen, und zwei Schüler platzen herein.
    »Herr Friedrisch«, pöbelt der eine, »er hat misch Hurensohn gesagt!«
    »Was redet er, jaaaa? Dein Mutta is eine …«
    »Wie oft hab ich euch schon gesagt«, unterbricht der Schulleiter die zwei Jungs ungeduldig, »dass ihr anklopfen sollt?«
    »Viermal«, antwortet der kleinere Junge, dessen Jeans an den Knien aufgerissen sind. Seine dunklen Haare sind zu einer wilden Stachelfrisur hochgegelt. Das sprachliche Mittel der rhetorischen Frage kennen die Jungs wohl noch nicht.
    »Was?«, fragt Friedrich verdutzt.
    »Viermal du hast uns schon gesagt, wir sollen klopfen«, erklärt der Junge.
    »Sie! Haben Sie uns schon gesagt«, verbessert der Schulleiter mit gequälter Stimme.
    »Hä?«
    Die Jungs gucken sich ratlos an.
    »Na los, raus jetzt! Ich hab hier …«
    Die beiden verkrümeln sich lachend. Streit geschlichtet – wenn auch eher aus Versehen. Warum die beiden außerhalb der Unterrichtszeit auf den Fluren herumtoben, scheint Herrn Friedrich nicht weiter zu interessieren.
    »Also, wo waren wir?«, fragt er zerstreut.
    »Frau Dremel?«
    »Richtig! Sie wird Ihnen zeigen, wie weit sie mit den beiden Matheklassen ist. Viel Erfolg.«
    Er kehrt mir den Rücken zu, die Audienz ist offensichtlich beendet. Super. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann wartet auf mich eine Schulung, die den vielversprechenden Titel Mathelehrer in neunzig Minuten tragen könnte. Ich mache mich also auf den Weg, um mir ein paar Patentrezepte einer erfahrenen Frontkämpferin abzuholen – und doch beschleichen mich erste Zweifel. Was andere im Rahmen eines mehrjährigen Studiums lernen, wird mir die gute Dame wohl kaum in wenigen Minuten vermitteln können – oder?
    Als ich die Tür zum Lehrerzimmer öffne, sitzt Frau Dremel am großen Konferenztisch und starrt aus dem Fenster. Nach meiner Berüßung nimmt sie noch einen großen Schluck Kaffee und kramt dann zwei Mathebücher hervor.
    »Hast du denn schon oft Mathe unterrichtet?«, fragt sie, während sie die richtige Seite heraussucht.
    »Nein, noch nie.«
    »Ach so?« Sie wirkt verständlicherweise etwas überrascht. »Was sind denn deine Fächer?«
    »Gar keins, ich bin gar kein Lehrer.«
    Vor Schreck klappt sie das Buch zu und guckt mich mit weit aufgerissenen Augen an. Hätte ich ihr das vielleicht schonender beibringen sollen?
    »Wie jetzt?«, fragt sie und sieht mich an, als hätte ich ihr gerade erklärt, ich würde die nächsten Ferien bei meinen Verwandten auf dem Mond verbringen.
    »Ich habe Erwachsenenbildung studiert und arbeite bis zu den Sommerferien als Vertretungslehrer.«
    »Ist ja verrückt«, sagt sie und kratzt sich am Kopf.
    Noch verrückter ist, dass ich in etwa fünfundsiebzig Minuten meine erste Doppelstunde in Mathe halten soll. Hoffentlich kann mir Frau Dremel bis dahin noch etwas beibringen …
    »Also, pass auf«, sagt sie gewichtig, »mit der 4e bin ich auf Seite zweiunddreißig. Am Ende spiele ich mit denen oft Vier-Ecken-Rechnen. Bei der 5b sind wir auf Seite neunundzwanzig, und die hassen Vier-Ecken-Rechnen.«
    Es entsteht eine kurze Gesprächspause.
    »Hast du sonst noch Fragen?«, will sie dann wissen.
    Ob ich sonst noch Fragen habe?
    Meine Freundin Sarah, die Sprichwörter gern durcheinanderwürfelt, würde jetzt sagen: Ich glaub mich tritt ein Storch – natürlich hab ich noch Fragen! Vor allem die hier: Was soll ich im Unterricht mit den Schülern machen? Wie geht das, Lehrersein? Was mache ich hier eigentlich? Und wie komme ich wieder raus?!
    Während mir tausend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf schießen, wird mir klar, dass wir das alles wohl kaum innerhalb der nächsten Stunde besprechen können.
    »Ach, eigentlich nicht«, lüge ich Frau Dremel daher an. »Den Rest werd ich schon mitbekommen.«
    Sie sieht erleichtert aus, als sie aufsteht und nach ihrer braunen Ledertasche und ihrem Mantel greift.
    »Viel Glück«, ruft sie, dann fällt die Tür hinter ihr zu, und ich bin allein.
    Die restliche Zeit bis zur
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