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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf
Autoren: Gerry
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allerdings dem Laden näherte, drängte sich eine Erinnerung in sein Bewusstsein, die er dort lieber für immer tief vergraben hätte. Vor einer kleinen Ewigkeit war er hier einem Mann gefolgt, der gelblich grüne, in der Dunkelheit glühende Augen hatte.
    Anstatt in die Straße abzubiegen, die zum Laden führte, ging er weiter geradeaus. Er folgte der teilweise zerstörten Backsteinmauer bis zur nächsten Einmündung. Auch in dieser Straße bot sich ihm ein Bild der Zerstörung, aber ein Haus stand noch. Es war in einem beklagenswerten Zustand. Zahllose Fensterscheiben fehlten. Die Wohnungen dahinter standen offenbar leer.
    Er hielt auf das Gebäude zu. Die Eingangstür fehlte. Im Treppenhaus lagen Blätter, vom Herbstwind hereingeweht. Ein gebeugter, kleiner alter Mann kam ihm im Flur entgegen. Er zog einen Handwagen hinter sich her, auf dem sich ein paar Habseligkeiten befanden. Es war eindeutig nicht der Werwolf.
    Karl grüßte freundlich. »Ziehen Sie aus?«
    »Ja, zu meinen Kindern aufs Land. Die Polizei hat mich geräumt, weil die Bude hier bald zusammenklappt.«
    »Gibt es noch andere Bewohner?«
    »Da ist nur noch eine Wohnung«, antwortete der Alte. »Die vom Mork Gustav.«
    Karls Kopf ruckte nach links. Sein Blick wanderte zum »stillen Portier« hinauf.
    G. Mork
    Ein eisiger Schauer rann ihm über den Rücken. Damals war der Name für ihn wie jeder andere gewesen, nicht aber heute. Gmork! Mit trockenem Mund wandte er sich wieder dem Alten zu. »Wohnt Herr Mork noch hier?«
    »Wieso? Kennen Sie ihn?«
    »Kennen ist vielleicht nicht das richtige Wort. Wir hatten miteinander zu tun.«
    Der Alte nickte, als wäre ihm alles klar. »Eigenartiger Bursche, dieser Mork. Sieht einen so komisch an. Ich gehe ihm immer aus dem Weg.«
    »Entschuldigen Sie, aber Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
    »Ob er noch hier wohnt? Wenn ich das wüsste!«
    »Wie darf ich das verstehen?«
    Der Alte zuckte die Achseln. »Bin ihm schon seit ein paar Wochen nicht mehr begegnet. Aber seine Miete ist scheint's noch bis zum Jahresende bezahlt. Soll mit einer grässlichen schwarzen Brandwunde aus dem Haus getaumelt sein. Ich selbst hab's nicht gesehen.«
    »Kann man auf den Hof hinaus?«
    »Wegen mir. Ist sowieso alles zerbombt dahinten. Gehen Sie nur.«
    Karl nickte dem Alten zu. »Danke. Und alles Gute für Sie und Ihre Kinder.«
    »Schönen Tag noch.«
    Der Hinterhof war eigentlich keiner mehr, denn die sich anschließenden Häuser fehlten. Stattdessen lagen dort Berge von Trümmern. Aber Karl interessierte sich nur für das Vorderhaus, genauer gesagt, für dessen rückwärtige Front. Er ließ den Blick an der von Einschusslöchem übersäten Fassade hinaufgleiten und bekam plötzlich einen steifen Hals.
    Im fünften Stock, unter dem Dachboden also, waren noch alle Fenster heil. Eines hatte jemand von innen mit weißer Farbe bepinselt, ein anderes mit schwarzer.
    »Da also hast du deinen Wolfsbau«, flüsterte Karl. Er überlegte nur einen Moment. Dann humpelte er ins Haus zurück.
    Obwohl seine Beine schwer waren und seine Füße schmerzten, erklomm er die fünf Stockwerke in einem Zug. Er bemühte sich, leise zu sein, aber in dem alten Haus knarrte jede Stufe. Dann stand er vor der Tür mit dem Namensschild »G. Mork«. Es war schon dreist, sich mit seiner Tarnung so wenig Mühe zu geben, dachte Karl, aber dann fragte er sich, ob – abgesehen vom Fünfgesichtigen Gogam und einigen wenigen Phantásiern – überhaupt je einer von einem Werwolf namens Gmork gehört hatte. Vorsichtig drückte er gegen die Wohnungstür und zuckte unwillkürlich zusammen, als diese nach innen schwang.
    Sie war nur angelehnt gewesen. Der Alte mit dem Handwagen hatte gesagt, er habe Herrn Mork seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen. In Phantásien waren währenddessen nur ein paar Stunden vergangen. Karl betrachtete nachdenklich seine linke Handfläche. Sie war immer noch scheckig von ihrem Kampf. Vom Lux. Er bildete sich das alles nicht bloß ein. Es war kein Traum. Die Wunde an Gmorks Hals war ungleich größer und tiefer gewesen. Fast wäre er daran gestorben. Karl gewann neuen Mut. Anscheinend hatte der verletzte Werwolf fluchtartig die Wohnung verlassen, weil er fürchten musste, dass Karl die Polizei rief. Immerhin war die Wohnung voller Perlen gewesen. Doktor Windig hatte etwas vom Schwarzmarkt erzählt und vom energischen Durchgreifen der Ordnungskräfte. Für einen Wolf musste es etwas Schreckliches sein, in einem Gefängnis zu
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