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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf
Autoren: Gerry
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geistiger Umnachtung zugebracht haben? Karl fragte
    sich, ob der einfühlsame Notar es gewagt hätte, seine am ganzen Verhalten erkennbaren Eindrücke so offen wiederzugeben. Er sollte es nie erfahren, denn in diesem Moment klopfte es energisch an der Tür. Es war Fräulein Hasenfratz, die ein Tablett mit einer Kanne Malzkaffee, zwei Tassen und der Akte »Thaddäus T. Trutz« brachte. Der Notar bedankte sich – offensichtlich nicht ganz unfroh über die Unterbrechung –, und während die junge Dame das dampfende Getränk eingoss, blätterte der Notar rasch die Akte durch.
    Alsbald lächelte er Karl an. »Ich kann Ihnen Hoffnung machen.«
    Karl traute seinen Ohren nicht. »Inwiefern? Ist es denn nicht schon zu spät?«
    »Eventuell gibt es noch ein Hintertürchen, durch das Sie hineinschlüpfen können. In den Laden, meine ich.«
    Karl starrte den Notar sprachlos an. Weiß er etwa von der geheimen Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz?
    Doktor Windig grinste schief. »Entschuldigen Sie. War wieder nur bildlich gesprochen. Was ich damit ausdrücken wollte, ist Folgendes: Herr Trutz hat ziemlich komplizierte Anweisungen hinterlassen, was im Falle seines Dahinscheidens oder eines unvorhergesehenen Verschwindens mit seinem Vermögen zu geschehen habe. Konnten Sie denn in der Zwischenzeit die Legitimation beibringen?«
    »Nein. Als Herr Trutz und ich voneinander Abschied nahmen, waren wir zu ergriffen, um ...« Karls Stimme versickerte.
    »... an so profane Dinge wie eine Unterschrift zu denken?« schlug der Notar vor. Er schüttelte mit ernster Miene den Kopf. »Leider ist eine Generalvollmacht ohne Unterschrift und Ortsangabe ...«
    »... formaljuristisch nur ein wertloser Fetzen Papier. Ich weiß. Sie haben es vor einer Woche schon gesagt.«
    »Am ersten November? Da war ein Feiertag.«
    »Nein, am achten.«
    »Aber heute ist der achte. Sie Armer müssen ja Schlimmes durchgemacht haben, dass Ihre Erinnerung derart durcheinander geraten ist. Übrigens keine Seltenheit in diesen Tagen. Wie auch immer, abgesehen von Ihrem Äußeren kommen Sie mir wieder ganz klar vor. Sogar, wenn ich mich recht erinnere, irgendwie ... entschlossener als damals.«
    »Danke.«
    Der Ton des Notars wurde mit einem Mal sehr eindringlich, fast beschwörend. »Haben Sie irgendetwas anderes von Herrn Trutz bekommen?«
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht.«
    »Unser alter Büchernarr hat verfügt, dass jemand, der Anspruch auf seinen Laden erhebt, ohne die erforderliche Unterschrift beizubringen, sich stattdessen durch einen gewissen Gegenstand als rechtmäßiger Erbe identifizieren kann.«
    »Man kann es aber auch ganz anders machen«, murmelte Karl, während er mit glasigem Blick auf den Schreibtisch starrte.
    »Was sagten Sie?«
    »Nichts. Nur eine Lebensweisheit des ehrenwerten Thaddäus.«
    »Fein, fein. Dann überlegen Sie jetzt bitte genau, Herr Koreander. Hat Ihnen Herr Trutz etwas anvertraut oder Ihnen irgendein Geschenk gemacht?«
    Spontan fiel Karl Die unendliche Geschichte ein, aber davon konnte Thaddäus noch nichts gewusst haben, als er sein Testament aufgesetzt hatte. Sein Gesicht erhellte sich. »Ein Monokel!«
    Der Notar schüttelte den Kopf. »Sonst nichts?«
    Und dann löste sich der dunkle Nebel in Karls Kopf plötzlich auf, und alles wurde hell und klar. Sie mag Ihnen noch einmal nützlich sein. Passen Sie gut darauf auf, hatte der Meisterbibliothekar gesagt, als er sie ihm schenkte. Erst in der letzten Nacht war diese so eindringliche Aufforderung von ihm wiederholt worden. Jetzt werden Sie das gute Stück hoffentlich zu schätzen wissen. Sogar Weisenkind, die Goldäugige Gebieterin, hatte ihm einen Wink mit dem Zaunpfahl gegeben. Du hast etwas dir sehr Wertvolles für mich geopfert, um mich zu retten. Karl langte in die Innentasche seines Jacketts und holte das dunkelblaue Ledersäckchen hervor. Mit zitternden Fingern zog er das Verschlussband auf, entnahm dem Beutel die Meerschaumpfeife und legte sie vor Doktor Windig auf den Tisch. Der alte Notar begann von einem Ohrläppchen zum anderen zu grinsen. Dann nickte er. »Herzlichen Glückwunsch, Herr Koreander! Damit haben Sie sich als der rechtmäßige Eigentümer des Antiquariats, der Wohnung und des übrigen Vermögens von Thaddäus Tillmann Trutz legitimiert.«
    ·
    Karl kam sich vor, als wären ihm Flügel gewachsen. Die Strapazen der letzten sieben .... was auch immer ... waren vergessen. Ihm gehörte ein Antiquariat! Er konnte sein Glück kaum fassen. Als er sich
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