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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Don Winslow
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    Dave Collins steht mit seiner HK MP7 im Anschlag auf der Treppe.
    Blut erscheint schwarz im grünen Licht des Nachtsichtgeräts.
    Der Korditgestank brennt in seiner Nase, ihm ist schlecht, fast muss er würgen, sein Hemd ist durchgeschwitzt unter der Panzerweste – dreißig Pfund Keramikplatten. Unter seinem Gefechtshelm sammelt sich Schweiß und läuft ihm übers Gesicht.
    Eine Sommernacht im Irak, immer noch glühend heiße 45 Grad Celsius.
    Dazu die Anspannung und das Adrenalin, man schwitzt.
    Eine Hand tippt ihm von hinten an die Schulter.
    Donovans Startsignal.
    Dave rennt die Treppe rauf.
    Er steigt über die Leiche der »Krähe« , die er gerade getötet hat.
    Wie in einem Videospiel, nur dass man kein zweites Mal spielen darf, Wiederholungen gibt es nicht. Den Bruchteil einer Sekunde zu spät abgedrückt, ein Fehler, eine falsche Bewegung – oder einfach nur Pech –, dann bist du geliefert. Du verlierst Hände oder Beine, vielleicht zerfetzt dir auch eine Sprengladung oder eine Granate das Rückgrat.
    Auf dem Treppenabsatz blickt er ohne stehenzubleiben nach oben.
    Eine Krähe zielt mit einer Kalaschnikow auf ihn.
    Dave drückt ab, macht kurzen Prozess – zwei Schüsse in die Brust, einen in den Kopf. Wieder schwarze Spritzer an der Wand im Treppenhaus. Schließlich willst du nicht, dass er noch mal aufsteht. Die Toten sollen tot bleiben.
    Weiter die Treppe rauf.
    Der Schweiß läuft ihm jetzt in die Augen.
    Brennt.
    Nimmt ihm fast die Sicht.
    Verschwommen sieht er einen Dischdascha, das lange weiße Gewand der irakischen Männer. Weiß ist grellgrün. Er will abdrücken – scheiße, das ist ein Kind, ein Junge, und er greift unter sein Gewand. Wonach? Eine Handgranate? Eine Waffe? Aktiviert er die Sprengkapsel am Dynamitgürtel um seinen Bauch? Will er uns alle in die Luft jagen?
    Dave sollte ihn erschießen.
    Aber er tut es nicht.
    Er nimmt zwei Stufen auf einmal, packt den Jungen am Arm, zerrt ihn mit sich, hält ihn auf Abstand vom eigenen Körper. Er stößt ihn gegen die Wand, fixiert ihn und richtet die MP 7 auf ihn, während er gleichzeitig »Echo! Echo!« in sein Funkmikro schreit.
    »Zivilist! Zivilist!« Als gäbe es so etwas überhaupt in diesem gottverfluchten Krieg. Dave spürt Kugeln an seinem Gesicht vorbeizischen, seine Haut versengen, Donovan greift ein und feuert.
    Mit einer Benelli M 4 Super 90.
    Schwarz für den Einsatz bei Nacht.
    Kugeln Kaliber 12 zerfetzen die Krähe, die sonst Dave getötet hätte. Die Kalaschnikow klappert die Treppe hinunter. Gefolgt vom dumpfen Aufprall eines Körpers.
    Dem Tod so nah, rauscht das Adrenalin durch Dave wie Strom. Sein Herz ist die Bassdrum einer Heavy-Metal-Band. Blut rast durch seine Adern, als gelte es ein Wettrennen zu gewinnen. Er stößt das Kind die Treppe runter, tritt vor Donovan, geht wieder voran.
    Krähen verteidigen erbittert den Raum ganz oben an der Treppe. Es ist dunkel, sie können uns nicht sehen, aber wir sie. Die Nacht gehört uns, das ist Angeberei und Realität. Er denkt an den Song – »because the night belongs to lovers«. Ersetzt man »lover« durch »killer«, hat man’s. »Because the night belongs to us . «
    Geräusche.
    Jammernde Frauen, kreischende Kinder, tiefere Männerstimmen, Zorn und Schmerz. Gebrüllte Befehle. Laufschritte. Schüsse. Ihre, nicht unsere. Unsere sind gedämpft. Sie können uns nicht sehen, sie können uns nicht hören. Aber wir sind hier. Because the night belongs to killers, because the night …
    Er kommt auf den nächsten Absatz.
    Die schwere Holztür ist geschlossen.
    Die Tür – der »tödliche Trichter« .
    Der erste, der durch die Tür geht, bekommt die ganze Scheiße mit voller Härte ab.
    Dahinter brodelt es.
    Die müssen dich nicht sehen, die wissen, wo du bist, und auf die Entfernung kann man kaum danebenschießen.
    Dave hört Schritte hinter sich.
    Donovan.
    Dave tritt beiseite, presst sich an die Wand, zieht mit einer Hand die M84-Blendgranate aus dem Gürtel, mit der anderen deckt er Donovan, während der sich neben der Tür positioniert und Hatton Rounds in seine Benelli lädt. Er nickt Dave kurz zu, dann setzt er sich vor die Tür – vor einer Tür steht man nicht, denn die Krähen feuern auf Brusthöhe.
    Donovan schießt, und die Scharniere fliegen weg.
    Die Tür klappt auf, und Dave wirft einen »Böller« rein.
    Knisterndes Magnesium-Licht.
    Eine Million Candela – ohne Schutzbrille wird man davon blind.
    Laut – 180 Dezibel.
    Erschütternd, gewaltig. Der
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