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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn
Autoren: Dean R. Koontz
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dem Fall Valis in Verbindung, und Billy erfuhr nie ihren Namen.
    Täglich werden Menschen vermisst gemeldet. Die landeswe i ten Medien haben weder genug Platz noch genug Zeit, um über jeden banalen Fall zu berichten.
    Während die Waldtyrannen und die meisten Weidenschnä p pertyrannen am Ende des Sommers davonfliegen, erscheint die Bekassine, wenn der Herbst auf den Winter zugeht. Außerdem kommt das Rubingoldhähnchen, das mit hoher, klarer, lebhafter Stimme ein vieltöniges Lied singt.
    In jenen erlesenen Zirkeln, in denen auch die einfachsten Gedanken tief sind und wo selbst Grau verschiedene Schatti e rungen besitzt, entstand eine Bewegung, das unvollendete Relief fertigzustellen und wie geplant in Brand zu setzen. Gut, Valis war womöglich wahnsinnig gewesen, wurde argumentiert, aber Kunst sei dennoch Kunst und müsse respektiert werden.
    Die Verbrennung zog eine so begeisterte Schar von Hells Angels, organisierten Anarchisten und ernsthaften Nihilisten an, dass Jackie O’Hara am betreffenden Wochenende seine Tür verschlossen hielt. Solches Volk wollte er in einer Familie n kneipe nicht bewirten.
    Im Spätherbst gab Billy seinen Job als Barkeeper auf und holte Barbara zu sich nach Hause. Ein Teil des vergrößerten Woh n zimmers diente als ihr Schlafraum und sein Arbeitszimmer. In ihrer stillen Gesellschaft konnte er nämlich wieder schreiben.
    Obwohl Barbara nach wie vor an keine lebenserhaltenden Geräte angeschlossen war, sondern nur an eine Pumpe, die sie durch die Magensonde mit Nahrung versorgte, bedurfte Billy anfangs der Hilfe durch ausgebildetes Pflegepersonal. Mit der Zeit lernte er jedoch, sich um sie zu kümmern, und nach mehreren Wochen brauchte er nur noch selten Unterstützung, außer nachts, wenn sie schlief.
    Er leerte ihren Katheterbeutel, wechselte ihre Windeln, reini g te sie, badete sie und empfand dabei nie Ekel. Er fühlte sich besser, wenn er diese Dinge selbst für sie tat, als wenn er Fremde damit beauftragte. Nie hätte er erwartet, dass sie ihm noch schöner vorkommen würde, wenn er sich auf diese Weise um sie kümmerte, doch es war tatsächlich so.
    Schon einmal hatte sie ihn gerettet, bevor sie ihm weggeno m men worden war, und nun rettete sie ihn erneut. Nach all dem Schrecken, der brutalen Gewalt und dem Morden gab sie ihm die Gelegenheit, wieder das Mitgefühl in sich kennenzulernen und eine Zärtlichkeit zu finden, die er sonst womöglich für immer verloren hätte.
    Merkwürdig, wie allmählich die Freunde zu Besuch kamen. Jackie, Ivy, die Köche Ramon und Ben, Shirley Trueblood. Oft kam auch Harry Avarkian aus Napa angefahren. Gelegentlich brachten die Besucher Familienmitglieder oder Freunde mit, die zu Billys Freunden wurden. Immer mehr Leute schienen Freude daran zu haben, ein wenig Zeit in seinem Haus zu verbringen. Am Weihnachtstag war die Bude voll.
    Im Frühling, als die Waldtyrannen und die W eidenschnäppe r tyrannen in Scharen zurückkehrten, verbre i terte Billy die Haustür und flachte die Schwelle ab, um Barbaras Bett auf die Veranda schieben zu können. Ein Verlängerungsk a bel versorgte nicht nur die Nahrungspumpe mit Strom, sondern auch den Mechanismus zum Hochstellen der Matratze, sodass Barbaras Gesicht vom warmen Frühlingswind gestreichelt werden konnte.
    Währenddessen saß Billy auf der Veranda und las, manchmal auch laut. Er lauschte dem Gesang der Vögel und sah Barbara die heiteren Geschichten von Dickens träumen.
    Es war ein guter Frühling, ein besserer Sommer, ein schöner Herbst und ein herrlicher Winter. Dies war das Jahr, in dem die Leute ihn zunehmend Bill statt Billy nannten. Ir gendwie fiel ihm das gar nicht auf, bis der neue Name allgemein gebräuchlich geworden war.
    Im Frühling des folgenden Jahres war er eines Tages mit Barbara auf der Veranda und las still ein Buch, als sie sagte:
    »Rauchschwalben.«
    Er führte kein Notizbuch mehr mit den Worten, die sie sagte, denn er machte sich keine Sorgen mehr, sie könnte Angst haben, verloren sein und leiden. Sie war nicht verloren.
    Als er den Blick hob, sah er einen Schwarm der genannten Vögel, der über dem Garten jenseits der Veranda synchron ein anmutiges Muster in die Luft malte.
    Er sah zu Barbara hinüber. Sie hatte die Augen geöffnet und schien die Schwalben zu beobachten.
    »Sie sind noch anmutiger als andere Schwalben«, sagte er.
    »Ich mag sie«, sagte sie.
    Mit ihren schlanken, spitzen Flügeln und ihren langen, tief gespaltenen Schwänzen sahen die Vögel sehr elegant
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