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Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus
Autoren: Franz Fuehmann
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das Volk der Phaiaken zu erfahren.
    »Wir sind den Himmlischen verwandt«, sagte das Phaiakenmädchen, »Poseidon ist einer unserer Urahnen, und da wir ein frommes Volk geblieben sind, wollen uns die Unsterblichen wohl. Einst lebten wir nahe den Kyklopen; wir wurden von diesen fürchterlichen turmhohen Kolossen ständig bedrängt und bedroht und vermochten uns ihrer grausamenÜberfälle nicht zu erwehren, und da wir ein friedsames Volk sind und den Waffengebrauch scheuen, hat Zeus unsere Bitte erhört und unser Volk, Männer, Weiber, Greise, Kinder, und dazu all unser Vieh und unsere Schätze und unsere kunstvollen Werkzeuge hierher nach Scheria geführt, der seligen Insel, die weder Kriege noch Raubzüge kennt und wo darum die Menschen kein Schwert, ja nicht einmal einen Dolch an ihrer Seite tragen. Hier leben wir in glücklichem Frieden und geben uns ganz den Künsten des Schiffbaus, der Weberei, der Töpferei, des Gold- und Silberschmiedens und mancher anderen Fertigkeit hin und haben es darin zur Meisterschaft gebracht; allein dies alles wirst du mit eigenen Augen bewundern können!« So sprach das Phaiakenmäd chen, das die Göttin Athene war, und geleitete Odysseus über den Markt bis zum Königspalast, dann entschwand sie. Odysseus aber blieb noch immer in die Wolke aus Nebel gehüllt.
    Staunend betrachtete er den Palast; er war ein weitgereister Mann und hatte viele wundersame Stätten schon schauen dürfen, allein solch ein Anblick hatte sich seinem Auge noch nie geboten. Die Wände des Palastes waren zur Gänze aus gehärtetem Eisen, und ein aquamarinblaues Gesims krönte ihr metallenes Schimmern. In den innern Palast führte ein goldenes, von silbernen Säulen getragenes Tor mit schöner Wölbung; zu beiden Seiten des Tors hockten goldene und silberne Hunde, fähig zu bellen, die Zähne zu fletschen und sie ins Fleisch eines Feindes zu schlagen und doch nur Gebilde aus Metall und also unvergänglich und weder alternd noch jemals krankend. Im Thronsaal, so war es durch das offene Tor zu sehen, reihte sich Säule an Säule und davor, mit kostbaren Teppichen ausgelegt, Hochsitz an Hochsitz, und neben jeder Säule stand auf einem Altar ein Jüngling aus purem Gold, der eine Fackel in Händen trug. Im Herde prasselte wärmendes Feuer, und aus dem Innenhof hörte man das Rasseln der Kornmühlen und das Geklapper der Spindeln; der Außenhof um den Palast aber war mit den prächtigsten Obstbäumen, Weinstöcken, Heilkräutern und Zierblumen bestellt.
    Lange stand Odysseus in diesen Anblick versunken, dann trat er an den goldenen und silbernen Hunden vorbei in die Halle und fiel vor der Königin nieder und umschlang ihre Knie, und erst in diesem Augenblickzerstreute Athene den Nebel, so dass plötzlich zu Füßen der Herrscherin ein Fremdling lag. Die Gespräche verstummten mit einem Schlag, und alle Zechenden hielten in ihrer Bewegung inne und blickten verwundert auf den Mann, der nun im Saal lag wie vom Himmel gefallen und der nun zu sprechen anhob, den Schutz des Herrscherpaares und seinen Beistand zur Heimreise erflehte und sich, nachdem er geendet hatte, wie die Bettler es tun, in die Herdasche setzte. König Alkinoos aber stieg vom Thron, hob seinen Gast aus der Asche, hieß seinen ältesten Sohn aufstehen und dem Fremdling seinen Platz abtreten, dann wusch er, wie es die Sitte beim Mahl verlangt, dem Gastfreund die Hände und labte ihn mit Speise und Trank. Als Odysseus gegessen, zogen sich die andern Gäste zurück; der König aber und die Königin blieben, denn sie waren begierig, etwas von dem Schicksal ihres Gastes zu erfahren, der, wie sie sehen mussten, in des Alkinoos bestem Leibrock an ihrer Tafel saß.
    »Wer gab dir diese Gewänder?«, fragte Arete, die Königin. »Sagtest du nicht, du seiest vom Sturm hierher an unsere Küste verschlagen worden?«
    »Die Kleider borgte mir eure hochherzige und schöne Tochter Nausikaa«, erwiderte Odysseus, »ich preise euch glücklich, edles Königspaar, solch ein holdes und wackres Kind zu besitzen!«
    Der König lächelte, als er dies Lob hörte, und bat Odysseus, von seinen Abenteuern zu erzählen.
    »Das ist eine so lange Geschichte, dass ich gar nicht weiß, wo ich beginnen soll«, erklärte Odysseus, »es ist ja schon spät, und der Bericht von meiner Irrfahrt würde in dieser Nacht sicher nicht beendet sein. Lasst mich für heute denn nur sagen, dass ich ein König bin, der sein Heer und seine Flotte in den wilden Fluten verlor und sieben Jahre lang bei
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