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Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus
Autoren: Franz Fuehmann
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der Nymphe Kalypso gefangen lag, bis Zeus ihr steinernes Herz zu Mitleid rührte.« Und Odysseus erzählte von Hermes’ Ankunft und vom Bau des Floßes und der Begegnung mit dem Erderschütterer Poseidon und vom rettenden Schleier der Leukothea, und schließlich endete er wieder mit einem Dank an die tapfre Nausikaa. Indes war die Nacht gekommen, und das Königspaar ließ dem Gast ein Lager aus Pelzen und Woll tüchern bereiten, und Odysseus schlummerte traumlos bis in den hellen Morgen hinein.
Gast des Königspaares
    Noch ehe Odysseus erwacht war, erhob sich, kaum dass der Tag graute, Alkinoos von seinem Lager und berief sein Volk zur Ratsversammlung. Er berichtete von der Ankunft des Gastes und dessen Begehren. Dann schlug er den jungen Leuten vor, eines der neuerbauten Schiffe, die weit und breit als die seetüchtigsten Segler galten, zur Ausfahrt zu rüsten und mit allem Nötigen an Speise und Trank zu versehen; die zeptertragenden Fürsten aber lud er in den Palast ein, zu Ehren des Gastes einen Festschmaus zu halten und die Kräfte im Wettkampf zu erproben.
    Also geschah es. Die Jünglinge rollten eines der schwarz plankigen Schiffe zum Strand und statteten es mit Mast und Segel und Ruder und Steuer aus, wie es nottat; das übrige Volk indes – und es war ja damals ein König nichts anderes als der erwählte Ratgeber und Anführer des Volkes und ein zeptertragender Edler nur der Älteste seines Geschlechtes – eilte zum Festmahl in den Palast. Nach Herzenslust wurde geschmaust und gezecht, und als der gröbste Morgenhunger gestillt war und sich die silbernen und goldenen Becher das dritte Mal gefüllt hatten, erhob sich der berühmte blinde Sänger Demodokos, tastete nach der Harfe, die über seinem Haupt an einer Säule hing, und hob an, die Tafelrunde mit einer Erzählung in Versen zu unterhalten. Aus den vielen Heldengesängen, die er in seinem Gedächtnis barg, wählte er den aus, den er für den schönsten und spannendsten hielt: die Geschichte vom hölzernen Pferd. Sie berichtete, wie die Griechen zehn Jahre lang vergeblich Troja belagert und es nicht hatten einnehmen können, bis der listenreiche Odysseus auf den Gedanken kam, ein riesiges hohles Pferd aus Holz zu bauen und, nachdem man am Tag den Abzug des griechischen Heeres vorgetäuscht hatte, es nachts, mit einer ausgewählten Mannschaft angefüllt, heimlich vor das Tor der Festung zu rollen, worauf prompt geschah, was Odysseus vorausgesehen hatte: Die Troer, trunken vor Freude über den Abzug des feindlichen Heeres, schoben das Pferd, in dem sie ein Geschenk der Götter wähnten, in die Burg; zur Nacht stieg die heimliche Besatzung hinaus, machte die Torwachennieder, entriegelte die Festung, und das griechische Heer brach über die ahnungslos Schlafenden ein und hieb sie bis zum letzten Mann zusammen. Von all diesen Taten und Listen sang der blinde Demodokos, und immer, wenn er die Namen Troja und Odysseus aussprach, begann der Fremde tief zu seufzen, und seine Augen wurden feucht, und er wischte sie mit dem Ärmel des Mantels ab. Dem aufmerksamen Alkinoos entging das nicht. »Unser lieber Gast scheint unwohl«, sprach er, »die Luft in der Halle ist auch stickig; gehn wir ins Freie, uns an Wettspielen zu ergötzen!« So wandelten alle hinunter zum Markt, und die Jünglinge des Phaiakenlandes maßen ihre Kräfte und durchrasten die stäubende Aschenbahn und schleuderten den Speer und die kupferne Scheibe. Odysseus hielt sich zurück; er war müde und wollte die Kräfte für die Heimreise schonen, und der Sinn stand ihm auch nicht nach Wettstreit und Spiel, doch als einer der jungen Phaiaken ihn schmähte und ihn der Angst und der Schwäche zieh, da er sich nicht an den Spielen beteiligte, ergriff er zornig den Diskus, und von Athene gestärkt warf er ihn weit über die Wurfmarke des kampftüchtigsten Phaiaken hinaus.
    »Wer seine Kräfte an mir erproben will, der möge kommen«, rief Odysseus, »ich bin bereit, mit den Fäusten, dem Schwert oder als Ringer zu kämpfen! Es soll mich hier keiner mehr einen Feigling schelten!« Er blickte herausfordernd um sich, doch niemand wagte sich mit Odysseus zu messen, und der Phaiakenkönig entschuldigte sich ob der vorwitzigen Worte eines der Seinen und erklärte, dass sie sich in solchen rauhen Kampfarten nicht zu üben pflegten, gemäßer seien ihnen Ballspiel und Reigentänze und Lieder zur Laute, und die Jünglinge zeigten dem Gast auch Proben ihrer sanften und anmutigen Kunst. Zum Abschluss der Spiele
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