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Interview mit einem Buchpiraten

Interview mit einem Buchpiraten

Titel: Interview mit einem Buchpiraten
Autoren: SPIEGELBEST
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sind die Konsequenz der plausiblen Überlegung, dass ihr, der Musikbranche, gegen Piraterie letztlich nur ein einfaches und attraktives legales Nutzungsmodell hilft (natürlich ohne DRM). Ähnliche Maßnahmen der Buchbranche gibt es noch nicht, u. a. weil hier die Oligopolisierung noch nicht ganz so weit vorangeschritten ist und ein paar wenige Firmen nicht mal einfach „mehr als 20 Mio. Songs“ (Simfy-Eigenwerbung) bündeln können. Ziemlich doof ist für die Buchbranche auch, dass das Flatrate-Modell für den User/Kunden tatsächlich ziemlich attraktiv ist. Und allerdings die Frage, ob es nun legal ist oder nicht, ziemlich verwirrend. Wenn eine Seite wie Simfy anscheinend legal ist und kräftig beworben wird, warum sollte es ein (technisch gut funktionierender und, nach Bezahlung, auch den Subskribenten nicht mehr durch Werbung belästigender und im übrigen unverdächtiger und durch ein tolles Angebot glänzender – u. a. auch rund 20.000 Hörbuch-Titel) Flatrate-Shop nicht sein?

    Gut, die Angebote sind sehr kostengünstig, aber da die Bezahlung über einen regulären (in der EU ansässigen) Payment Provider erfolgt, dürften Nutzer nur sehr geringe Zweifel an der Legalität derartiger Angebote haben. Kann man wirklich verlangen, dass der geneigte Medienkonsument, der ja hier vor der Benutzung auch tatsächlich Geld hinlegt, all die feinen Verästelungen des Urheberrechts kennt, nach Branchen aufgeschlüsselt? Übrigens ist das Urheber- gar nicht das einzige Recht, das von den Flatrate-Shops gebrochen wird. Eine neue Qualität von Piraterie (nach P2P-Tauschbörsen und Filehoster-Piraterie) ist auch, dass diese Shops nicht nur auf ihren eigenen Domains betrieben werden. Nein, sie sparen sich auch noch die Provider- und Serverkosten und hacken fremde Server; das Buchangebot wird auf Seiten (im Prinzip beliebiger) Dritter „exportiert“. Die Betreiber der gehackten Seiten, die sich offenbar wenig um ihre Server kümmern (kleiner Tipp: die Probleme treten meist durch schlecht gesicherte WordPress-Installationen auf), bemerken dies in den seltensten Fällen. 85 Prozent der Flatrate-Shops laufen auf Fremdseiten, wobei etwa österreichische Hotelseiten (neben u. a. Floristen, Friseuren, Grundschulen, Sportseiten, Immobilienhändlern, Nachtclubs aus Quebec und indischen Umzugsunternehmen und, natürlich, Autoren-Websites) sehr beliebt sind.

    Ob Wirtsfamilie Huber im Obergailtal (Anm. d. Red.: Name und Ort geändert) überhaupt mitkriegt, dass sie seit einiger Zeit erhöhten Online-Traffic hat und dass das aber seltsamerweise überhaupt keine Auswirkungen auf ihre Gästezahlen hat? Gerne gekapert werden auch die Websites von amerikanischen Anwälten, darunter sogar solche von Spezialisten für Internetrecht. Copyright-Anwälte! (Sie mögen verzeihen, dass auch wir technischen Antipiraterie-Dienstleister manchmal auf Phänomene stoßen, die uns tagelang lachen machen.) – Sind Sie sicher, dass nicht auch schon Ihre Website von E-Book-Hehlern gekapert wurde? Mit dieser Methode sparen die Betreiber der Flatrate-Shops nach den Kosten für Lieferanten auch die für Internet-Betriebskosten. Und sie verschafft ihnen hohe Reichweite. Für einen einzelnen dieser Shops ist sie nicht weiter auffallend (“große” Piraten erkennt man sonst oft z. B. anhand ihres Alexa-Ranks; der hilft hier nichts), aber in Summe (wie gesagt: es handelt sich um nicht weniger als 400 Shops zur Stunde) kommt doch Einiges zusammen. Und die Summe gibt es, die meisten dieser Shops hängen personell und technisch zusammen: Die größte „Flatrate-Shop-Kette“ wird aus Osteuropa betrieben. Im Umfeld dieser Shops lassen sich auch Beziehungen zu illegalen Musikshops (in der Art von allofmp3) finden. Die Server selbst stehen in Russland. Andere (kleinere) Shops kommen aus Österreich, Exoten stehen auf kenianischen Domains.

    Um mal wieder eine gute Nachricht einzustreuen: Ja, man kann, wenn man will, diese Shops auch abstellen. Wie? – Wir haben uns z. B. mal testweise kürzlich an den österreichischen Fachverband Hotellerie gewandt, auf dass er seine Mitglieder darauf hinweist, was da für kriminelle Aktivitäten auf ihren Websites laufen. Die meisten (immer noch nicht alle) österreichischen Hotelseiten haben auch reagiert. Nicht, dass diverse dieser Hoteliers (die, ganz im Ernst, selber Opfer sind) die Ski-Saison statt auf der Hütt‘n im Knast verbringen müssen. Im übrigen bleiben noch diverse hundert Shops übrig, um die sich irgendjemand
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